Community Health Nursing – ein neues Berufsfeld in der Gesundheitsversorgung

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Eine Tagung an der Universität Witten/Herdecke diskutierte die Chancen einer akademischen Ausbildung als Karriereweg für Pflegende

Mehr als 140 Expert:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz trafen sich Mitte September zu einer Tagung der Universität Witten/Herdecke, um ein junges Berufsfeld zu diskutieren: Community Health Nursing, oder kurz CHN. Dabei geht es um eine akademische Qualifikation von ausgebildeten Pflegefachkräften. „Auf dem Land und in vielen Stadteilen haben wir in Deutschland große Lücken in der Gesundheitsversorgung. Das ist eine Möglichkeit für auf Masterniveau ausgebildete Pflegefachpersonen, hier mit pflegerischen, aber auch vorbeugenden und gesundheitsfördernden Angeboten diese Lücke zu schließen!“, betonte Prof. Dr. Oliver Herber, Inhaber des Lehrstuhls für Community Health Nursing an der Universität Witten/Herdecke in seiner Einführung. So sollen Community Health Nurses eine wichtige Rolle bei den für Deutschland vorgesehenen Gesundheitskiosken spielen. Darüber hinaus sieht der aktuelle Koalitionsvertrag die Etablierung des für Deutschland neuen Berufsbildes CHN vor. Diese ist mit einer Vielzahl gesellschaftlicher Veränderungen, rechtlicher Rahmenbedingungen und berufspolitischer Fragestellungen verbunden.

Viele Länder zeigen bereits, wie es gehen kann

Prof. Dr. Thomas Fischer, der Leiter des Masterstudiengangs Pflege mit dem Schwerpunkt CHN/ANP an der Ev. Hochschule Dresden, zeigt, was die deutsche Debatte um CHN von Beispielen aus verschiedenen Ländern lernen kann. So besteht in Schweden die Möglichkeit, dass im Rahmen einer Pflegesprechstunde Pflegespezialist:innen Ersteinschätzungen vornehmen und Patient:innen beraten. In Großbritannien arbeiten sogenannte Public Health Nurses zusammen mit Nachbarschaftsorganisationen Programme zur Gesundheitsförderung aus.

Kordula Schulz-Asche, M.A., ist Krankenpflegerin und gleichzeitig Mitglied des Deutschen Bundestages und sprach die gesundheitspolitische Perspektive an: Durch den demographischen Wandel und den Fachkräftemangel kommt es insbesondere bei älteren Menschen, in sozial benachteiligten Stadtteilen und im ländlichen Raum zu Versorgungslücken. Sie hob die schwierige rechtliche Lage hervor, betonte jedoch, dass es von herausgestellter Notwendigkeit sei, dass selbstbestimmte Tätigkeitsfelder für Pflegefachpersonen erweitert werden. In der Diskussion um das Rollenverständnis der CHN bedürfe es auch der Stimme der organisierten Pflege, z.B. in Form von Pflegekammern, die sich aktiv einbringen können. Dies könnte das Berufsbild stärken und eine gute Diskussion über die Bedeutung von Pflege in der Gesellschaft ermöglichen.

Ein Beispiel aus Essen: Der Gesundheitskiosk

Einen Einblick in ein mögliches zukünftiges Arbeitsfeld einer CHN bot Julia Grabemann, B.A., die als Community Health Nurse beim Gesundheitskiosk „Gesundheit für Essen gGmbH“ tätig ist. Der Stadtteil Essen-Nord zeichne sich durch einen großen Anteil krankheitsanfälliger und chronisch kranker Bevölkerungsgruppen aus und verfüge außerdem beispielsweise über eine geringe Facharztdichte. Sie beschrieb, wie seit April 2021 lokale Partner in einen Austausch getreten sind, um den Gesundheitskiosk zu etablieren, der schlussendlich im April 2022 seine Arbeit aufgenommen hat. Der Kiosk bietet beispielsweise Gesundheitsberatung in verschiedenen Sprachen an, übernimmt eine Lotsenfunktion für verschiedene Versorgungsangebote, klärt über Angebote auf und unterstützt bei der Organisation von Versorgungsleistungen.

Die Aktualität des Themas spiegelte sich auch in der eingehenden Diskussion wider. Darin ging es beispielsweise um eine stärkere Vernetzung zwischen Ärzt:innen, ambulanter Pflege, Krankenhäusern und Reha-Kliniken. Das Berufsbild einer CHN könnte hier dazu beitragen, dass Bedarfe chronisch kranker Menschen stärker berücksichtigt werden und benachteiligte Gruppen Zugang zu Versorgungsleistungen erhalten. Darüber hinaus wurde deutlich, dass in der aktuellen Situation ein anspruchsvoller Spagat gemacht werden muss: einerseits gilt es fehlendes Personal zu ersetzen, um aktuelle Bedarfe abdecken zu können, andererseits müssen aber auch Neuerungen ausprobiert und Veränderungen umgesetzt werden. “Ich habe die lebhafte und ehrliche Debatte der 140 Tagungsteilnehmer:innen sehr geschätzt. CHN hat enorme Potenziale für die Pflege und uns erwarten in den kommenden Jahren viele neue Entwicklungen in diesem Feld. Jetzt brauchen wir erste Wegbereiter:innen, die das Berufsbild mit Leben füllen”, fasste Prof. Dr. Margareta Halek, die Leiterin des Departments für Pflegewissenschaft und Co-Dekanin der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke, ihre Eindrücke zusammen.

Weitere Informationen: Prof. Dr. Oliver Herber, 02302/926-379, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Ansprechpartner Presseteam: Kay Gropp, 02302/926-805, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Über uns:
Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 3.000 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Gesellschaft steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung.

Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.

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Foto: Teilnehmer:innen der Tagung vlnr.: Myriam Valk-Draad, Elena Zarges, Julia Söhngen, Jürgen Drebes, Oliver Herber, Margareta Halek, Kordula Schulz-Asch

Hochschule für Gesundheit gründet viertes Department

newsimage 10Hochschule für Gesundheit gründet viertes Department

Die Hochschule für Gesundheit in Bochum plant für das Wintersemester 2023/2024 ein neues Studienangebot zu den Themen Nachhaltigkeit, Ökonomie und Management im Gesundheitswesen.

Das Department für Ökonomie und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen (DÖNG) ergänzt ab dem 01. September 2022 das Angebot der Hochschule für Gesundheit (HS Gesundheit) in Bochum. Gemeinsam mit dem Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften (DAG), dem Department of Community Health (DoCH) und dem Department für Pflegewissenschaft (DPW) verfügt die 2009 gegründete Hochschule dann über vier Departments mit verschiedenen Schwerpunkten im Themenfeld Gesundheit.
"Das Präsidium hat sich entschieden, das Angebot der Hochschule für Gesundheit um den Bereich nachhaltig ausgerichtete Unternehmensführung im Gesundheitswesen zu erweitern. Wirtschaftliches Handeln in der Gesundheitsbranche vor dem Hintergrund von Ressourcenknappheit und Personalmangel stellt die Akteur*innen im Gesundheitswesen vor die Herausforderung, mit knapperen Mitteln dieselbe Qualität in der gesundheitlichen Versorgung zu gewährleisten", so Prof. Dr. Christian Timmreck, Präsident der HS Gesundheit. 
Prof. Dr. Frank Schmitz wurde zum Gründungsdekan des neuen Departments ernannt. Der Wirtschaftswissenschaftler ist seit dem 01. März 2022 Professor für Management und Marketing im Gesundheitswesen an der HS Gesundheit und wird das Studienangebot des neuen Departments aufbauen. Geplant sind die zwei Bachelorstudiengänge "Nachhaltiges Management in der Gesundheitswirtschaft" und "Gesundheitsökonomie", die zum Wintersemester 2023/2024 starten sollen. Zudem wird ein Masterstudiengang im Bereich Management für Pflege und Gesundheitsberufe entwickelt, der auch als Weiterbildungsangebot zugänglich sein wird. 
"Über fünf Prozent der Treibhausemissionen in Deutschland entfallen auf den Gesundheitsbereich. Damit trägt dieser wesentlich zur Klimakrise bei. Wir haben uns dafür entschieden, dass Thema Nachhaltigkeit mit dem Thema Ökonomie zu verknüpfen, weil dieses zukünftig beim Management von Unternehmen in der Gesundheitswirtschaft ein wesentliches Kompetenzfeld sein wird", erklärt Schmitz. Diese Kombination der Themen Ökonomie und Nachhaltigkeit mit dem Fokus auf den Gesundheitssektor in einem Studienangebot sei in Deutschland einzigartig, fügt Schmitz hinzu.


Foto: Das Präsidium – auf dem Foto vertreten durch Prof.in Dr.in Eike Quilling (li) und Prof. Dr. Christian Timmreck (re) - hat die Gründung des vierten Departments beschlossen. Prof. Dr. Frank Schmitz (Mitte) wird Gründungsdekan des neuen Departments

Beratungsstelle zur praktischen Pflegeausbildung nimmt ihre Arbeit auf

newsimage 9Beratungsstelle zur praktischen Pflegeausbildung nimmt ihre Arbeit auf

TU Dresden unterstützt Auszubildende in der Pflege und ihre Praxisanleiter:innen

Pflegekräfte werden nach wie vor händeringend gesucht und Nachwuchs dringend benötigt, doch rund ein Viertel aller Auszubildenden in der Pflege bricht die Ausbildung ab. Die Gründe dafür sind vielfältig, doch nicht zuletzt fehlt es den Pflegeschüler:innen und ihren Praxisanleiter:innen im Betrieb an Unterstützung und Beratung. Zudem sind mit der im Jahr 2020 reformierten generalistischen Pflegeausbildung neue Aufgabenfelder für die Praxisanleiter:innen hinzugekommen, etwa die Gestaltung der Kooperation mit der Berufsfachschule oder die Aufgabe als Fachprüfer zu wirken.

Zur Bewältigung dieser neuen Anforderungen bedürfen die an der Ausbildung Beteiligten Unterstützung. Diese Lücke möchten Anja Walter, Inhaberin der Professur für Gesundheit und Pflege/Berufliche Didaktik und Jonas Hänel – beide an der Fakultät Erziehungswissenschaften der TU Dresden – nun schließen. Unter ihrer Leitung entsteht die Beratungsstelle zur praktischen Pflegeausbildung für Praxisanleiter:innen und Auszubildende, an deren Entwicklung und Etablierung ab dem 1. September 2022 an der TU Dresden gearbeitet wird. 

Die Wissenschaftler:innen im Projekt wollen in der Pilotphase verschiedene Kontakt- und Beratungsmöglichkeiten schaffen, damit die Praxisanleiter:innen bei ihren wichtigen Aufgaben unterstützt werden. Insbesondere soll die Betreuung der zukünftigen Pflegekräfte während der praktischen Anteile der Pflegeausbildung verbessert werden. „Wir wollen Akteure in der praktischen Ausbildung unterstützen, indem wir Einzelberatungen, aber auch Workshops und Vernetzungstreffen anbieten, um so den Austausch untereinander zu fördern“, erklärt Prof.in Anja Walter. Für die Praxiseinrichtungen sollen auch Erleichterungen bei der Koordinierung der vielfältigen Praxisorte geschaffen werden. Das Projekt nimmt aber auch die Auszubildenden mit in den Blick. „Neben den vielen Kampagnen, die für den Pflegeberuf werben, braucht es auch eine breite Unterstützung für Menschen, die mitten in der Pflegeausbildung sind und vielleicht schon mit dem Gedanken spielen, die Ausbildung abzubrechen", erklärt Dr. Jonas Hänel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt. „Wir möchten z. B. Einzelfallgespräche anbieten oder durch unser Netzwerk die richtigen Ansprechpersonen vermitteln. Auch ein Mentoring- bzw. Patenprogramm ist dafür in Planung. Im Mittelpunkt aller Maßnahmen, die wir entwickeln wollen, stehen die Auszubildenden und ihre Praxisanleiter:innen.“

Das Projekt ist zunächst auf ein Jahr angelegt. „In diesem Jahr wollen wir herausfinden, welchen Beratungsdarf es bei den Auszubildenden und den Praxisanleiter:innen überhaupt gibt“ erklärt Dr. Jonas Hänel. „Wo liegen die Schwierigkeiten in der neu strukturierten Pflegeausbildung? Welche Probleme haben die Auszubildenden und vor welchen Herausforderungen stehen die Ausbilder:innen? Neben einer sachsenweit angelegten Online-Befragung, werden Interviews mit verschiedenen Personen und Fokusgruppen durchgeführt. Mit diesen Daten und den Ergebnissen anderer Projekte und Studien werden wir verschiedene Angebote entwickeln, die wir hoffentlich Anfang 2023 anbieten und durchführen können.“ Aber auch schon jetzt können sich Interessierte an das Team der Beratungsstelle wenden. Egal ob jemand selbst eine Beratung braucht oder aktiv an der Gestaltung der Angebote mitarbeiten möchte − die Wissenschaftler:innen freuen sich über Ideen aus der Pflegebildungspraxis.

Bei der Entwicklung der zielgruppenspezifischen Beratungsformate werden die Wissenschaftler:innen eng mit den Trägern der berufspädagogischen Fort- und Weiterbildungsangebote für Praxisanleiter:innen und mit den 85 Schulen, in denen die Pflegeausbildung in Sachsen angeboten wird, zusammenarbeiten. Der Blick des Projekts geht aber auch über Sachsen hinaus. So wird der Kontakt zu ähnlichen Beratungsstellen in anderen Bundesländern wie bspw. Bayern und Schleswig-Holstein gesucht, um sich auszutauschen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Zudem wird an laufende Forschungsprojekte der Professur angeschlossen (bspw. IPfleB-BFS und Neksa-PAss) damit inhaltliche sowie strukturelle Synergien möglich werden.

Das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt unterstützt das Projekt finanziell mit 173.000 Euro. Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes. Die Laufzeit des Modellprojektes ist vorerst auf 12 Monate begrenzt.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Jonas Hänel
Professur für Gesundheit und Pflege/Berufliche Didaktik 
Tel.: 0351 463-35020
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Foto: Von links: Claudia Küttner (Projektmitarbeiterin), Dr. Jonas Hänel (Projektleitung), Christin Amende (Studentische Hilfskraft), Lucie Strauß (Projektmitarbeiterin) (TUD/Jana Hartmann)