Braucht es eine bessere Ausbildung für Sanitäter:innen in Österreich?

rettungsdienst ausbildungsreform österreich rettungssanitäterDie Leistungen der über 40.000 Sanitäter:innen in Österreich, die eine Schlüsselrolle im heimischen Gesundheitswesen spielen, standen am 12. Oktober 2023 im Mittelpunkt zweier Veranstaltungen im österreichischen Parlament. Auf Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka fand am Nachmittag ein Symposium zum Thema Neugestaltung des Sanitätergesetzes statt, bei dem zunächst aus der Sicht von Expert:innen aus der Praxis die aktuellen Herausforderungen des Berufsstandes beleuchtet wurden. Am Abend werden dann herausragende Sanitäterinnen und Sanitäter vor den Vorhang geholt und mit dem "Camillo Award" ausgezeichnet.

Die Referent:innen waren sich im ersten Teil der Veranstaltung einig, dass angesichts des erwarteten starken Personalbedarfs eine umfassende Verbesserung der Rettungsdienstausbildung in Bezug auf Qualität und Quantität erforderlich ist. Die Schaffung eines einheitlichen, attraktiven Berufsbildes mit erweiterten Entscheidungs- und Handlungsbefugnissen wurde als Lösung hervorgehoben, um mehr Fachkräfte im Beruf zu halten und gleichzeitig den präklinischen Sektor sowie die Spitalsambulanzen erheblich zu entlasten. Diese Ansichten wurden auch von den Vertreter:innen des Roten Kreuzes und der Österreichischen Gesundheitskasse in ihren Stellungnahmen unterstützt.

Zahorka: Die Zeit ist reif für ein neues Berufsbild 

Florian Zahorka, der sich nicht nur als Wissenschaftler mit verschiedenen Themenfeldern an der Schnittstelle von Gesundheit und Sozialversorgung mit Fokus auf Rettungsdienst befasst, sondern selbst seit vielen Jahren als Sanitäter tätig ist, informierte in seinem Eingangsstatement über den Status Quo. Es gebe in Österreich knapp 500 Rettungsdienst-Stützpunkte, über 120 Notarztstützpunkte sowie rund 40 Rettungshubschrauber. Man gehe davon aus, dass rund 40.000 Personen als Sanitäter:innen tätig sind und dass über 7.500 jährlich eine Ausbildung absolvieren. Problematisch sei aus seiner Sicht die hohe Drop-Out-Rate aus dem Beruf, weil damit die so wichtige Erfahrung für Notfallsituationen langfristig gar nicht aufgebaut werden könne.

Die demographische Entwicklung zeige aber, dass es in der Zukunft einen hohen Bedarf an Personal geben werde. Schon jetzt würde ein überproportional hoher Anteil der Fahrten durch Menschen ausgelöst, die über 60 Jahre alt sind. Zudem würde die Gesamtzahl der Einsätze in allen Bundesländern seit Jahren deutlich ansteigen. Verglichen mit der Schweiz und Deutschland sei Österreich das Land mit den mit Abstand höchsten Einsatzzahlen in den Bereichen Rettung und Krankentransport. Als Gründe dafür ortete er unter anderem das umfassende "Transportversprechen" der Rettungsdienste, die Abhängigkeit der (geringen) Vergütung vom Transport sowie die Tatsache, dass der Rettungsdienst in der Bevölkerung als niederschwellige Gesundheitsressource für alle Problemlagen angesehen werde. Letztlich führe die geringe Fahrtenvergütung eben auch zum Bestreben, ein Vielfaches an Fahrten durchzuführen, wodurch der defizitäre Rettungsdienst mit dem Krankentransport querfinanziert werde. Gleichzeitig sei Österreich im internationalen Vergleich aber auch Schlusslicht, was die Ausbildungsdauer - derzeit nur ein Jahr - betrifft. 

Es brauche innovative Alternativen zum aktuellen Modell, damit die Versorgung möglichst niederschwellig zu Hause erfolgen könne, regte Zahorka an, der dabei funktionierende Beispiele im Ausland anführte. Diese würde auszeichnen, dass Probleme vor Ort durch besonders geschulte Sanitäter:innen gelöst werden können, weil sie über ein größeres Handlungsrepertoire verfügen und ins niedergelassene Versorgungsnetz verweisen können. Auf gesetzlicher Ebene sollten bundeseinheitliche Vorgaben im Vordergrund stehen und die bestehenden "Insellösungen" ersetzen. Schließlich appellierte Zahorka noch, den vielen engagierten Menschen im Rettungsdienst zuzuhören, sie einzubinden und deren Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen.

Kaltenberger: Zweistufiges Ausbildungsmodell und Weiterentwicklung zu einem "Point of Care Rettungsdienst" 

Auch der Vizepräsident des Bundesverbandes Rettungsdienst Clemens Kaltenberger unterstrich, dass der Rettungsdienst weit mehr als ein Transportdienstleister sei. Viele der Probleme, die es aktuell gebe, würden sich  am besten über den Hebel der Ausbildung lösen lassen, war Kaltenberger überzeugt. Damit Sanitäter:innen in Zukunft ihre Schlüsselrolle in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wahrnehmen können, schlägt der Bundesverband ein zweistufiges Ausbildungsmodell vor. Dieses bestehe aus dem Beruf der Rettungssanitäterin bzw. des Rettungssanitäters, der eine niederschwellige Einstiegsmöglichkeit für Ehrenamt, Zivildienst und künftiges Hauptamt darstellt. Neben der klassischen Sanitätshilfe sollten auch Medikamentengabe sowie Grundlagen der Pflege und erweiterten Hygiene vermittelt werden. Aufbauend darauf würde dann die Ausbildung zum Diplom-Notfallsanitäter bzw. der Diplom-Notfallsanitäterin erfolgen. Das Erlernen von praktischer Handlungs- und Entscheidungskompetenz stünde dabei im Fokus der Ausbildung, die eine eigenständige wissenschaftliche Vertiefung inkludieren müsse. Diese Sanitäter:innen würden dann in Zukunft die Hauptverantwortung in der Notfallrettung tragen. Der Bundesverband spreche sich zudem klar für eine sechssemestrige Ausbildung auf Hochschulniveau aus.

Das klare Ziel laute, dass Sanitäter:innen als Expert: innen für Akutsituationen und als Lotsen durch die verschiedenen Stufen des Gesundheitssystem agieren können, unterstrich Kaltenberger. Dafür soll ihnen künftig ein umfassendes Handlungsrepertoire aus Notfall- und Akutversorgung, Behandlung vor Ort, Hospitalisierung, Verweisung in die Primärversorgung und Weiterleitung hin zu sozialen Diensten zur Verfügung stehen. Im Fokus stehe dabei ein "Point of Care Rettungsdienst", der Interventionen dort vornehme, wo sie anfallen und der sich mit Gesundheitsberufen digital vernetze, um gemeinsam Probleme vor Ort zu lösen. Wenn das gelinge, dann könne man ein attraktives Berufsbild anbieten, welches die Beschäftigten im Gesundheitswesen langfristig halte. Außerdem würden alternative Verweisungsmöglichkeiten Hospitalisierungen ersparen und die Überfüllung der Ambulanzen reduzieren, führte Kaltenberger ins Treffen.

Trimmel: Ein Großteil der Einsätze könnten und sollten durch qualifizierte Rettungs- und Notfallsanitäter:innen übernommen werden

Die Akut- und Notfallversorgung in Österreich müsse dringend reformiert werden, forderte Helmut Trimmel, der Vorstand der Sektion Notfallmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI). Ein grundsätzliches Problem bestehe nämlich darin, dass immer häufiger Notärzt:innen gerufen werden, obwohl gar kein medizinischer Notfall vorliege. In zumindest 25 % bis 50 % der Fälle würde zudem der Einsatz während der Anfahrt wieder storniert, informierte Trimmel. An was es jedenfalls nicht scheitere sei der Versorgungsgrad, da Österreich über ein extrem gut ausgebautes Netz an notärztlicher Versorgung verfüge. Für besonders wichtig halte er, dass in Hinkunft ein großer Teil der Einsätze durch qualifizierte Rettungs- und Notfallsanitäter:innen übernommen werden. Er schätze, dass dies in 70 % der Fällen möglich sein würde. Auch sollten die "anachronistischen Finanzierungsmodelle" - Vergütung nur pro Transport ins Krankenhaus - überdacht werden.

Gleichzeitig müsse sichergestellt werden, dass ausreichend Notärzt:innen dort verfügbar sind, wo sie wirklich gebraucht werden. Weitere Empfehlungen der ÖGARI zielen zudem auf eine Reform des Versorgungsauftrags der niedergelassenen Ärzt:innen und die Einbindung weiterer Berufsgruppen in die  extramurale Versorgung ab. Um dies alles umzusetzen, müssten die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen geschaffen und die Finanzierung einer quantitativ und qualitativ verbesserten Ausbildung der Rettungs- und Notfallsanitäter:innen gewährleistet werden. Es brauche zudem eine abgestufte und qualifizierte präklinische Versorgungsstruktur durch mobile Dienste, einen ärztlichen Bereitschaftsdienst sowie einen Rettungs- und Notarztdienst nach bundeseinheitlicher Vorgabe. Überdies müsste ein verbindlicher Indikationskatalogs zum Notarzteinsatz implementiert werden.

Halmich für Novellierung des Sanitätergesetzes  

Michael Halmich, Obmann der Österreichischen Gesellschaft für Ethik und Recht in der Notfallmedizin, pflichtete seinen Vorrednern in vielen Punkten bei. Es stand für ihn ebenso außer Streit, dass das vor rund 20 Jahren beschlossene Sanitätergesetz in die Jahre gekommen sei. Es reiche jedoch nicht, nur an ein paar Schrauben zu drehen, sondern man müsse wesentliche Änderungen vornehmen, etwa was die Frage des Berufsschutzes betrifft. Man sollte zudem die Sanitäter:innen in die Lage versetzen, sogenannte Triage-Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig würde schon die aktuelle rechtliche Grundlage einiges ermöglichen, wie etwa den Ausbau der Telemedizin oder den Einsatz der Sanitäter:innen außerhalb von Rettungsorganisationen, zeigte Halmich auf.

Vertreter:innen vom Roten Kreuz und der ÖGK unterstützen Forderungen nach einer Reform der Sanitäterausbildung

Alexandra Tanda, die Geschäftsführerin des Österreichischen Roten Kreuzes, stellte in ihrem Redebeitrag die Arbeitgebersicht zur Diskussion. Auch wenn das österreichische Gesundheitssystem weltweit zu den besten gehöre, stoße es derzeit an Grenzen. Diese reichten vom demographischen Wandel, komplexen medizinischen Diagnosen bis hin zu einem ausgedünnten Arbeitsmarkt. Eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen an aktuelle Gegebenheiten sei daher erforderlich, konstatierte Tanda. Dies gelte auch für den präklinischen Bereich, also den Rettungs- und Sanitätsdienst. Tanda schloss sich den Einschätzungen der Referent:innen an, wonach eine Reform der Ausbildung der sowohl haupt- als auch ehrenamtlichen Sanitäter:innen hoch an der Zeit sei. Orientieren sollte man sich dabei an internationalen Standards, betonte Tanda, die sich mit Nachdruck für bundeseinheitliche Regelungen einsetzte. Es brauche zudem eine längere Ausbildungsdauer sowie leichtere Umstiegsmöglichkeiten. Wenn Notfallsanitäter:innen mit höheren Kompetenzen ausgestattet werden, dann würden sie auch einen wichtigen Beitrag zur Entlastung des Gesundheitssystems leisten, resümierte Tanda, die zudem versprach, sich auch als Nationalratsabgeordnete entsprechend einbringen zu wollen.

Andreas Karl, der Geschäftsführer des Roten Kreuzes in Tirol, stellte zunächst außer Streit, dass er eine professionelle Ausbildung für Sanitäter:innen nach internationalen Standards ausdrücklich befürworte. Dafür müssten sich die Vertreter:innen aller Strömungen endlich an einen Tisch setzen. In seiner Rolle als Rettungsdienstbetreiber wolle er aber auch den Blick auf das bestehende Spannungsfeld zwischen einer möglichst hohen Versorgungsdichte und den Interessen der Kostenträger lenken. So stehe auch die Tatsache, dass Österreich "ein Land der Transporteure" sei im krassen Widerspruch zu der gewünschten Aufwertung des Berufs. Generell müsse die Gesundheitsversorgung gesamthaft betrachtet werden, weil die einzelnen Bereiche kommunizierende Gefäße darstellen.

ÖGK-Obmann Andreas Huss sah das solidarische Gesundheitssystem in Gefahr, da immer mehr Kosten auf die Privatpersonen übertragen würden. Der Anteil an Privatleistungen liege mittlerweile schon bei rund 23 % bis 25 %. Deshalb habe er im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen sehr stark darauf gedrängt, dass für den Ausbau der niedergelassenen Versorgung ausreichend Mittel bereitgestellt werden. Leider würde nun zu viel Geld in die Spitalsambulanzen fließen, bedauerte er. Ein zentrales Anliegen von ihm sei, dass "das richtige Mittel für den richtigen Zeitpunkt und für das richtige Problem" eingesetzt werden soll, und das gelte auch für den Rettungsdienst. Er würde sich weiters wünschen, dass man sich in Hinkunft auf einheitliche Leistungs- und Ausbildungsniveaus einigen könne. 


Zur Pressemitteilung: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20231012_OTS0166/symposium-mit-expertinnen-und-politikerinnen-ueber-weiterentwicklung-des-rettungsdienstes-in-oesterreich

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Bundestag stimmt für wegweisende Reform des Pflegestudiums

abstimmung pflege stärkung pflegestudiumDer Deutsche Bundestag hat am Donnerstag, den 19. Oktober 2023, einen geänderten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung (20/8105) angenommen. Damit wurde ein wichtiger Schritt in Richtung der Stärkung der Pflegeausbildung in Deutschland gemacht. Neben der Pflegestudienreform wurden auch Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und weitere Vorschriften verabschiedet.

Die Abstimmung ergab eine Mehrheit von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, während CDU/CSU und AfD dagegen stimmten und die Fraktion Die Linke sich enthielt. Diese Entscheidung beruhte auf der Empfehlung des Gesundheitsausschusses (20/8901) und einem Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung (20/8902). Ein Entschließungsantrag (20/8903) der Union wurde bei Zustimmung der Linksfraktion und der Mehrheit der übrigen Fraktionen abgelehnt. Ebenso wurde der Antrag der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt, wobei sich die Linksfraktion enthielt. Die Abstimmung über die Vorlage mit dem Titel „Hochschulische Pflegeausbildung stärken – Pflegerische Versorgung von morgen absichern“ (20/4316) war auf der Grundlage einer Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (20/6115) erfolgt.

Wichtige Aspekte der Reform

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Pflege-Studenten künftig eine Ausbildungsvergütung erhalten, die ihrer beruflichen Ausbildung entspricht. Dieser Schritt wird als entscheidend betrachtet, um das vorhandene Potenzial an Pflegestudierenden in vollem Umfang zu nutzen. Die Akademiker-Quote in der Pflegeausbildung in Deutschland ist derzeit sehr niedrig, und das langfristige Ziel ist es, diesen Anteil auf zehn Prozent zu erhöhen, wie vom Wissenschaftsrat empfohlen.

Das Pflegestudium soll in Zukunft als duales Studium ausgestaltet werden. Das bedeutet, dass Pflegestudenten, die eine hochschulische Pflegeausbildung beginnen, einen Ausbildungsvertrag mit einem Träger des praktischen Ausbildungsteils abschließen. Diese Träger erhalten eine Finanzierung aus einem Ausgleichsfonds.

Die Bundesregierung zielt darauf ab, das Pflegestudium als attraktive Alternative zur beruflichen Ausbildung darzustellen und so mehr Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung dazu zu bewegen, sich für ein Pflegestudium zu entscheiden. Dies ist insbesondere angesichts des bestehenden Fachkräftemangels in der Pflege von entscheidender Bedeutung.

Stellungnahme des Bundesrates

Die geplante Integration der Finanzierung des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung in das bestehende Finanzierungssystem wird in der Stellungnahme des Bundesrats begrüßt. Er fordert jedoch, eine Übergangsregelung einzuführen, bis die Refinanzierung der Hochschulstudierenden durch die fondsverwaltenden Stellen auf eine solide Daten- und Finanzierungsbasis gestellt werden kann. Zudem unterstützt der Bundesrat die Idee einer geschlechtsneutralen Berufsbezeichnung für Personen, die eine Pflegeausbildung durchlaufen. Er schlägt die Bezeichnung „Pflegefachperson“ vor.

Der Bundesrat bittet ferner darum, die Ausbildungsumlage aus der allgemeinen Pflegevergütung zu entfernen und die Kosten der Ausbildung durch einen Steuerzuschuss aus dem Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung zu ersetzen, um Pflegebedürftige zu entlasten.

Die Bundesregierung jedoch hat den Vorschlag des Bundesrates zur geschlechtsneutralen Berufsbezeichnung abgelehnt und die Idee, die Ausbildungskostenumlage aus den Eigenmitteln herauszunehmen, zur Kenntnis genommen.

Weitere zukünftige Entwicklungen

Die Bundesregierung weist darauf hin, dass bis zum 31. Mai 2024 Empfehlungen für eine nachhaltige Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung erarbeitet werden sollen. Diese Empfehlungen sollen unter Leitung des Bundesgesundheitsministeriums erarbeitet werden und auch die Ausgabenseite der sozialen Pflegeversicherung berücksichtigen.

Änderungen am Gesetzentwurf

Die Koalition hatte den Gesetzentwurf bereits zusammen mit 20 sachfremden Änderungsanträgen eingebracht. Unter den angenommenen Änderungsanträgen des Gesundheitsausschusses finden sich Regelungen zu verschiedenen Gesundheitsthemen. Dies schließt eine Aktualisierung der Kinderkrankengeldregelungen nach der Corona-Pandemie, die Festlegung von Versorgungsansprüchen im Falle von Impfschäden, Erleichterungen beim Austausch von Kinderarzneimitteln in Apotheken und Bestimmungen zur häuslichen Krankenpflege mit ein.

Eine der herausragenden Änderungen bezieht sich auf die Ausweitung der Befugnisse von Pflegefachpersonen in der hochschulischen Pflegeausbildung. Diese sollen zukünftig erweiterte Kompetenzen für die eigenständige Ausübung von Tätigkeiten der Heilkunde erlangen. Dies umfasst spezifische Fachmodule wie die Diabetische Stoffwechsellage, Chronische Wunden und Demenz.

Antrag der Union 

Die Unionsfraktion fordert in ihrem Antrag eine Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung. Sie betont, dass die Anforderungen an das Pflegefachpersonal bereits hoch sind und weiterhin steigen. Daher sei es notwendig, eine praxisorientierte hochschulische Ausbildung für Pflegefachkräfte zu etablieren. Die Abgeordneten schlagen vor, eine Ausbildungsvergütung einzuführen, die dem Modell der beruflichen Pflegeausbildung entspricht. Dieser Schritt soll die Attraktivität des Pflegestudiums erhöhen und mehr Interessenten dazu bewegen, sich für diesen Studiengang zu entscheiden.

Zudem wird vorgeschlagen, die Refinanzierung der Praxisanleitung in den Einrichtungen ähnlich wie bei der berufsfachschulischen Ausbildung gesetzlich zu regeln. Dieser Schritt soll die praktische Ausbildung der Pflegestudenten absichern und die Bereitschaft der Einrichtungen steigern, akademische Pflegefachkräfte auszubilden.


Zur Meldung des Deutschen Bundestages: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw42-de-pflegestudiumstaerkungsgesetz-971392

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Deutscher Bundestag stimmt am Donnerstag, 19. Oktober 2023 über den Gesetzentwurf zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung ab

BERLIN, GERMANY - MAY 15, 2017: The German Bundestag, a constitutional and legislative building in Berlin, capital of GermanyLiveübertragung: Donnerstag, 19. Oktober, 15.05 Uhr

Der Bundestag stimmt am Donnerstag, 19. Oktober 2023, nach rund 45-minütiger Aussprache über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, zu Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften (20/8105) ab. Dazu legt der Gesundheitsausschuss eine Beschlussempfehlung vor.

Abgestimmt wird auch über einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Hochschulische Pflegeausbildung stärken – Pflegerische Versorgung von morgen absichern“ (20/4316), zu dem eine Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses bereits vorliegt (20/6115).

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Pflege-Studenten sollen dem Regierungsentwurf zufolge künftig eine der beruflichen Ausbildung entsprechende Ausbildungsvergütung erhalten. „Mangels einer auskömmlichen Finanzierung des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung kann das vorhandene Potenzial an Pflegestudierenden derzeit nicht umfassend genutzt werden“, schreibt die Bundesregierung in dem Entwurf und verweist auf die sehr geringe Akademiker-Quote in der Pflegeausbildung in Deutschland. Das langfristige Ziel sei, den Anteil wie vom Wissenschaftsrat empfohlen auf zehn Prozent zu erhöhen.

Das Pflegestudium soll künftig als duales Studium ausgestaltet werden. Das bedeutet, dass Studenten, die eine hochschulische Pflegeausbildung beginnen, mit einem Träger des praktischen Teils der Ausbildung einen Ausbildungsvertrag abschließen. Dieser erhält dafür eine Finanzierung aus einem Ausgleichsfonds.

Pflegestudium als „attraktive Alternative“

Die Bundesregierung schreibt: „Damit wird sichergestellt, dass das Pflegestudium neben der beruflichen Ausbildung eine attraktive Alternative darstellt und mehr Menschen mit Hochschulzugangsberichtigung dazu bewegt werden, sich für ein Pflegestudium zu entscheiden. Eine moderne hochschulische Ausbildung in der Pflege mit einer gesicherten Finanzierungsgrundlage ist auch angesichts des akuten Fachkräftemangels in der Pflege ein wichtiger Baustein, damit sich mehr (junge) Menschen für einen Pflegeberuf entscheiden.“

Ferner will die Bundesregierung das Anerkennungsverfahren für Fachkräfte aus dem Ausland vereinheitlichen und vereinfachen. Unter anderem soll ein Verzicht auf eine umfassende Gleichwertigkeitsprüfung zugunsten einer Kenntnisprüfung oder eines Anpassungslehrgangs möglich werden. „Dies entlastet antragstellende Personen wie auch die zuständigen Stellen der Länder gleichermaßen“, erklärt die Bundesregierung.

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat begrüßt in seiner Stellungnahme die vorgesehene Änderung, die Finanzierung des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung in das bestehende Finanzierungssystem zu integrieren, schreibt jedoch auch: „Die Bundesregierung wird in diesem Zusammenhang gebeten, eine Übergangsregelung einzuführen, bis die Refinanzierung der Hochschulstudierenden durch die fondsverwaltenden Stellen auf eine solide Daten- und Finanzierungsbasis gestellt werden kann.“

Ferner fordert die Länderkammer in ihrer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf eine Reihe von Änderungen. Unter anderem geht es dabei um die Möglichkeit einer geschlechtsneutralen Berufsbezeichnung für Personen, die eine Pflegeausbildung durchlaufen. Der Bundesrat spricht sich hierbei für die Berufsbezeichnung „Pflegefachperson“ aus.

„Ausbildungsumlage aus der Vergütung herausnehmen“

Um Pflegebedürftige zu entlasten, bittet der Bundesrat ferner darum, die Ausbildungsumlage aus der allgemeinen Pflege-Vergütung herauszunehmen. „Dem Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung sind die Kosten der Ausbildung durch einen Steuerzuschuss zu ersetzen“, schreibt der Bundesrat in seiner Stellungnahme.

Den Vorschlag des Bundesrats zur geschlechtsneutralen Berufsbezeichnung lehnt die Bundesregierung ab. Den Vorschlag, die Ausbildungskostenumlage aus den Eigenmitteln herauszunehmen, nimmt sie zur Kenntnis. Dies sei auch im Koalitionsvertrag vereinbart.

„Ausgabenseite berücksichtigen“

Jedoch sei aber auch die Finanzlage des Bundes und die Schuldenregel des Grundgesetzes zu beachten. Ferner weist die Bundesregierung darauf hin, dass bis zum 31. Mai 2024 unter Leitung des Bundesgesundheitsministeriums Empfehlungen für eine nachhaltige Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung erarbeitet werden sollen. Dabei solle auch vor allem die Ausgabenseite der sozialen Pflegeversicherung berücksichtigt werden.

Einige weitere Änderungsvorschläge des Bundesrats an dem umfangreichen Gesetz will die Bundesregierung prüfen, den Großteil der Vorschläge lehnt sie jedoch ab. (vom/bal/13.10.2023)


Zur Originalmitteilung: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw42-de-pflegestudiumstaerkungsgesetz-971392

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