Christiane Lücking, Cathleen Gaede-Illig (Hrsg.)

Hogrefe Verlag, Bern 2025, 296 Seiten, 55,00 €, ISBN 9783456862798

Mit ihrem im Frühjahr 2025 bei hogrefe erschienen Sammelband Therapiewissenschaften: Konzepte und Methoden für Health Professionals richtet sich das Autor:innenteam rund um die Herausgeberinnen Prof. Dr. Christiane Lücking und Prof. Dr. Cathleen Gaede-Illig explizit an Studierende und Berufstätige aus den Professionen der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie. 

Begleitend von einer einleitenden Fallgeschichte, die im Verlauf des Buches an ausgewählten Stellen aus Sicht der Professionen immer wieder aufgegriffen wird und zur Veranschaulichung der Inhalte dient, werden auf knapp 300 Seiten zentrale Themen und Konzepte der Therapiewissenschaften vorgestellt und erläutert. Das Buch ist dabei in insgesamt sechs große Kapitel untergliedert, die sich von „Gesundheit und Krankheit“ über „Evidenzbasiertes Arbeiten und Handeln“ und „Ethik in der Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie“ hin zu „Clinical Reasoning“ und „Interprofessionelles Arbeiten in den Gesundheitsberufen“ erstrecken und mit einem Kapitel zu „Digitale Transformation der Gesundheitsversorgung“ schließen. Das Werk versteht sich dabei nicht nur als Lern- und Arbeitsbuch für Studierende – jedes Kapitel enthält neben Lernzielen und Merkkästen auch Beispiele und umfangreiche Literaturangaben zum weiteren Vertiefen – sondern durch das umfangreiche und präzise ausgearbeitete Stichwortverzeichnis am Ende des Buches auch als Nachschlagewerk für Praktiker:innen. Ergänzend stehen Podcasts und Videos als Zusatzmaterial online zur Verfügung.

Der Schwerpunkt des Buches liegt dabei ganz klar auf dem Handeln in den Therapieberufen und die vorgestellten Konzepte werden unter diesem Fokus behandelt. So werden beispielsweise die Methoden und Grundlagen des Evidenzbasierten Handelns erläutert und anhand der Schritte der Evidenzbasierten Praxis expliziert. Studierende und Praktiker:innen werden so in die Lage versetzt, EbP-Probleme zu identifizieren und in einer Fragestellung zu konkretisieren. Das Buch gibt ebenfalls eine strukturierte Guidance für die Durchführung der wissenschaftlichen Literaturrecherche und die kritische Bewertung wissenschaftlicher Literatur. Darüber hinaus werden Grenzen der EbP in den Therapiewissenschaften diskutiert. Abschließend werden Evidenzgenerierung und Evidence Mapping vorgestellt. 

Anzumerken und zu hinterfragen ist an dieser Stelle der im Buch und in einer Kapitelüberschrift genutzte Begriff der Evidenzgenerierung und die folgenden Ausführungen dazu. Die Bedeutung dieses Begriffs ergibt sich zwar aus dem Kontext, könnte aber auch durchaus anders besetzt sein: Die Autorinnen meinen an dieser Stelle Evidenzsynthesen, die sie in diesem Unterkapitel auch weiter ausführen. Wer nun jedoch Inhalte zu Forschungsdesigns und der Durchführung von Forschung in den Therapiewissenschaften erwartet, wird enttäuscht: In diesem Buch wird die Evidenzgenerierung in Form von Primärforschung nur kurz im Zusammenhang mit der Evidenzhierarchie innerhalb der EbP angerissen, was insbesondere für die Zielgruppen des Buches – Studierende und Praktiker:innen – nachvollziehbar scheint, das Thema gleichzeitig aber nur unterkomplex abzubilden vermag und überdies nicht zum eigenen Forschen in den Therapieberufen anregt. Grundkenntnisse im wissenschaftlichen Arbeiten und Wissenschaftsverständnis müssen daher zwangsläufig für die Lektüre des Buches vorhanden sein. Oder kurz: Wenn ich vor dem Lesen des Buches nicht weiß, warum in manchen Situationen eine Fall-Kontroll-Studie das Design der Wahl sein kann, werde ich es nach dem Lesen auch nicht wissen – dafür kann ich die verschiedene Studientypen im Vergleich zueinander hierarchisieren.

Mit großer Spannung fiebern die Leser:innen dem Kapitel zur Interprofessionellen Zusammenarbeit entgegen – einem Thema, das allen Gesundheitsberufen unter den Nägeln brennt. Die Autorinnen dieses Kapitels beleuchten die theoretischen und systemischen Grundlagen der interprofessionellen Zusammenarbeit stringent und umfangreich und führen dabei vergleichsweise umfangreiche Exkurse in die Kommunikationswissenschaften. Verwunderlich ist an dieser Stelle, auf wie wenig Raum die Zusammenarbeit mit Pflegefachpersonen und ärztlichem Personal thematisiert wird, wobei auf konkrete Settings oder Fallkonstellationen überhaupt nicht eingegangen wird. Von zusätzlichen Best-Practice-Ansätzen für alltägliche Problemkonstellationen würden die Leser:innen an dieser Stelle sehr profitieren: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit im Rahmen der Frühmobilisation auf einer Stroke Unit? Welche Zuständigkeiten und Absprachen sind beim Schlucktraining auf einer MKG-Station zu treffen? Wie kann Sturzprophylaxe im geriatrischen Setting interprofessionell gestaltet werden?

Das abschließende Kapitel zur Digitalen Transformation der Gesundheitsversorgung ist hochaktuell und spannend zu lesen. Neben Grundlagen werden auch immer konkrete Anwendungsbezüge vermittelt. Die Autorinnen geben einen guten Überblick über Chancen und Nutzen digitaler Technologien in den Therapiewissenschaften und auch der Bezug auf DiGA und Co. und deren Möglichkeiten für die Arbeit mit Patient:innen bzw. die Eigenanwendung kommt nicht zu kurz. An dieser Stelle gilt es allerdings, auch zukünftig die raschen Entwicklungen in der Digitalisierung nicht nur des Gesundheitswesens, vor allem aber in der Gesellschaft, abzubilden – vielleicht erscheint in wenigen Jahren ja schon eine zweite Auflage dieses Buches? Ein interessanter und durchaus lesenswerter Grundstein ist mit diesem Werk gelegt.

Eine Rezension von Dr. Patrick Ristau 

Karin Kersting

Mabuse-Verlag, Frankfurt a.M., 3. Auflage 2024, 301 Seiten, 42,00 €, ISBN 9783863212858

Das Buch „Die Theorie des Coolout und ihre Bedeutung für die Pflegeausbildung“ beschäftigt sich mit einer Zusammenfassung von Coolout-Studien in der Pflege, die aus der Dissertation „Berufsbildung zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ der Autorin Karin Kersting entstanden ist. Mittlerweile in der dritten Auflage finden sich in dieser Monografie theoretische und praxisorientierte Grundlagen, die durch Folgestudien der Hochschule Ludwigshafen am Rhein komplementiert werden. Die Autorin Kersting Karin, selbst Krankenschwester, Diplom- Pädagogin und Professorin für Pflegewissenschaft/Pflegeforschung, forscht seit mehreren Jahrzehnten zu den Erscheinungen des Coolout von Fachpersonal in der Pflege. In mehreren Veröffentlichungen begründet Kersting das Phänomen des Coolout von Pflegefachkräften sowie weiteren Berufsgruppen, die an der Pflegeausbildung beteiligt sind. 

Aufbauend auf ihrer Erststudie „Coolout in der Pflege“ untersucht Kersting in diesem Band, wie Pflegepädagoginnen, Praxisanleiterinnen und Auszubildende mit dem Widerspruch zwischen Patientenorientierung und ökonomischen Zwängen umgehen. Sie führt die Metapher der „Bürgerlichen Kälte“ ein, um zu beschreiben, wie Pflegefachkräfte lernen, sich emotional zu distanzieren, um den beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Sie setzt dieses Verhalten einem Selbstschutz gleich, sieht gleichzeitig die Gefahr zur Aufrechterhaltung einer als normativ inakzeptabel empfundenen Partei.

Die Autorin diskutiert die Ergebnisse ihrer Studien im Kontext ausgewählter didaktischer Konzepte und leitet daraus Vorschläge für eine kritische Pflegedidaktik ab. Ziel ist es, die Reflexionskompetenz der Auszubildenden zu fördern und sie auf die moralischen Dilemmata im Pflegealltag vorzubereiten. Mit dieser Auflage präsentiert Kersting neue empirische Studien zur beruflichen Situation von Pflegepädagog/innen und Praxisanleiter/innen. In diesen Studien wird beleuchtet, wie Fachkräfte diesen Widerspruch erleben und bewältigen. Insgesamt bietet die 3. Auflage eine vertiefte Analyse der Herausforderungen in der Pflegeausbildung und liefert praxisnahe Ansätze zur Förderung einer ethisch fundierten Pflegepraxis. Eine Übersichtlichkeit der Studien findet durch das wiederholende Aufgreifen im gesamten Buch statt. Durch passende Grafiken setzt Kersting Akzente und bietet der Leserschaft eine gelungene Abwechslung beim Lesen. Zudem erweitert sie eine einleitende Grafik mit Fortschreiten des Buches. So fällt es den Lesenden leichter, den aufeinander aufbauenden Gedanken und Studien zu folgen und nachzuvollziehen. Trotz des bereits im Jahr 1999 durch Kersting festgelegten Begriffs „Coolout“ besteht eine hohe Aktualität des Themas. Die zunehmende Belastung im Pflegeberuf, eine „neue“ Pflegeausbildung unter Reformdruck, politische Aufmerksamkeit durch die Covid-19 Krise mit gleichzeitiger Beständigkeit struktureller Problematiken, und ethischer Identitätsbildung bei den Auszubildenden, gerade zu Beginn der ersten Praxiserfahrungen, zeigen eine wachsende Kluft zwischen dem Berufsideal und der Berufspraxis. Diese Kluft bedarf einer pädagogischen Bearbeitung durch Pflegepädagog/innen und Praxisanleiter/innen. Sinnhaft wäre es gewesen, die generalistische Pflegeausbildung stärker in den Fokus zu nehmen. In Beispielen schreibt Kersting noch von Gesundheits- und Krankenpfleger (z.B. S. 104). Des Weiteren bezieht sie sich im gesamten Buch auf die Krankenpflege-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (KrPflAPrV) von 2003. Diese wurde am 01. Januar 2020 durch das Pflegeberufegesetz abgelöst. Hier wäre es wünschenswert gewesen, dass die aktuelle Ausbildungsreform als Grundlage in Betracht gezogen wird. Durch die Stärkung der Reflexionsfähigkeit der Auszubildenden in der generalistischen Pflegeausbildung erscheint Kerstings Forderung gegenwärtiger denn je.

Mit ihrem Buch leistet Karin Kersting einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung in der Pflegeausbildung.

Eine Rezension von Frau Andrea Sprafke,
M.A Management im Gesundheitswesen und M.A Bildungswissenschaften für Pflege- und Gesundheitsberufe

Roland Brühe & Wolfgang von Gahlen-Hoops (Hrsg.)

transcript Verlag, Bielefeld 2024, 602 Seiten, 34,00 €, ISBN 978-3-8252-6239-6

Pflegedidaktik hat sich als eigenständige Forschungsdisziplin im Bereich der Pflegewissenschaft und Bildungsforschung etabliert. Sie befasst sich mit der Gestaltung von Lehr-Lernprozessen in der Pflegeausbildung und -weiterbildung. Ihr interdisziplinärer Ansatz integriert Erkenntnisse aus Pflegewissenschaft, Erziehungswissenschaft und Gesellschaftswissenschaft. Zentrales Ziel der Pflegedidaktik ist die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz bei Lernenden und Lehrenden in Pflegeberufen. Pflegedidaktische Fragestellungen werden auf Makro-, Meso- und Mikroebene betrachtet. Als eigenständige Forschungsdisziplin trägt die Pflegedidaktik wesentlich zur Professionalisierung der Pflegeausbildung und Weiterentwicklung des Pflegeberufs bei. Der erste Teil des Herausgeberwerks Handbuch Pflegedidaktikfokussiert pflegedidaktische Gestaltungsmöglichkeiten an den Lernorten (Hoch-)Schule und Praxis, orientiert sich dabei strukturell an vier von insgesamt acht pflegedidaktischen Forschungs- und Arbeitsfeldern zu denen das Herausgeberwerk einen Überblick zu aktuellen wissenschaftlichen Positionen, Diskursen und Wissensgegenständen vermittelt.

Bei den Herausgebenden handelt es sich um Prof. Dr. Roland Brühe und Prof. Dr. Wolfgang von Gahlen-Hoops. Professor Brühe ist gelernter Krankenpfleger, studierte Pflegepädagogik sowie Pflegewissenschaft und ist gegenwärtig als Professor für Pflegedidaktik an der Katholischen Hochschule NRW in Köln tätig. Professor von Gahlen-Hoops ist ebenfalls gelernter Krankenpfleger, Diplom-Pflegelehrer und arbeitet gegenwärtig als Professor für die Didaktik der Pflege und Gesundheitsberufe an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Wolfgang von Gahlen-Hoops ist darüber hinaus Mitglied der im November 2024 neu besetzten Fachkommission nach § 53 Pflegeberufegesetz. Sie sind ebenfalls die Herausgebenden des zweiten Teils von Handbuch Pflegedidaktik. Neben den beiden Herausgebenden haben 52 Beitragende aus den Bereichen Forschung und Bildung im Gesundheitswesen an dem Herausgeberwerk mitgewirkt.

Das Handbuch Pflegedidaktik I umfasst vier übergeordnete Kapitel, die sich aus den pflegedidaktischen Forschungs- und Arbeitskategorien Gestaltungspotenziale für PflegelehrendeSimulationBeratung und Identitäten ergeben. Diesen sind insgesamt 24 Beiträge zu verschiedenen Themen der jeweiligen Kategorie zugeordnet. Die Herausgebenden offerieren den Lesenden in einem ersten einführenden Kapitel den Entstehungshintergrund und die Struktur des gesamten Herausgeberwerks, an das sich die übergeordneten Kapitel anschließen. In der Kategorie Gestaltungspotenziale für Pflegelehrende fokussieren die Beitragenden vielfältige lehr- und lernrelevante Fragestellungen in lernortübergreifenden Kontexten und vermitteln in der Kategorie Simulation sowohl pflegedidaktisches Grundlagenwissen als auch konzeptionelle Gedanken zu simulationsbasierten Lernsettings. Die Beiträge in der Kategorie Beratung eröffnen den Lesenden pflegedidaktische Handlungsspielräume und Erfahrungen zu bedarfsgerechten Beratungs- und Unterstützungsansätzen in der Pflegebildung. Zielgruppenspezifische Beiträge zur Auseinandersetzung mit Identitäten im pflegedidaktischen Diskurs stehen im letzten, jedoch neuen und gleichnamigen Forschungs- und Arbeitsfeld Identität im Vordergrund.

Der erste Band des Herausgeberwerks ermöglicht Lesenden einen transparenten Einblick in die gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskurse der praktischen Pflegedidaktik als eigenständiges Forschungs- und Arbeitsfeld aus den oben genannten Perspektiven.  Die Kapitel weisen insgesamt eine breite thematische Streuung auf und bieten den Lesenden somit ein vielfältiges, jedoch spezifisches Themenangebot. Das Herausgeberwerk umfasst literatur- und forschungsgebundene Buchbeiträge in unterschiedlichen Umfängen. In der Auseinandersetzung mit den Beiträgen erhalten Lesende wertvolle Informationen zu disziplinspezifischen Fragestellungen, Diskursen und Erkenntnissen, die unmittelbar in das pflegedidaktische Handeln integriert werden können. Wie auch der zweite Band des Herausgeberwerks bildet dieser Band den gegenwärtigen Stand wissenschaftlicher Fragestellungen und Erkenntnisse im pflegedidaktischen Kontext ab. Eine stringente Sachlogik der Beiträge ist aufgrund ihres mitunter hohen Grades an Spezifität nicht zu erkennen. Strukturgebendes Element sind – wie bereits erwähnt – die pflegedidaktischen Forschungs- und Arbeitsfelder. Die Buchbeiträge sind in ihrer Gesamtheit sachlich-wissenschaftlich gestaltet und bedarfsweise mit Abbildungen und/oder Tabellen versehen. Gemeinsam mit dem ergänzenden Band II kann das Handbuch Pflegedidaktik vor dem Hintergrund seines wissenschaftlichen Charakters als gewinnbringendes Herausgeberwerk beurteilt werden, dass die Pflegedidaktik als Forschungs- und Arbeitsdisziplin aus einer praktischen und reflexiven Perspektive beleuchtet. Das Handbuch Pflegedidaktik I ist allen in der praktischen Pflegedidaktik Tätigen sowie pflegedidaktisch Interessierten aus Forschung und Wissenschaft zu empfehlen.

 

Eine Rezension von Sebastian Hoffmann
Healthcare & Education Management / Berufspädagogik für Pflege Berufe (M.A.)