Systemische Supervision im Gespräch (Rezension)

Systemische Supervision im Gespräch (Hercher; Heike und Heinz J. Kersting)

Heinz Kersting Verlag, Aachen, 2003, 19,00 € - ISBN 392047-35-3

Rezension von: Alexander Freyt, Pflegepädagoge (FH)

Bemühungen, die sich mit den Begriffen Informieren, Schulen, Beraten, Coaching, Supervidieren benennen lassen, entwickeln sich derzeit in der Pflege inflationär. Einerseits besteht durch die Forderung nach Qualitätssicherung und, sinnvolle Personalentwicklungsmaßnahmen durchzuführen, ein Handlungsbedarf, andererseits resultiert die Notwendigkeit der Maßnahmen aber auch aus begrenzten Personalressourcen - die zunehmend verminderte Frustrationstoleranz der Mitarbeiter soll aufgefangen werden.

Aus dem im humanistischen Problemlösungsverständnis gültigen Metaparadigma: "Hilfe ist Hilfe zur Selbsthilfe" folgt die Erkenntnis, dass eine langfristig Gewinn bringende Lösung eine nicht autokrat als Top-down Ansatz diktierte Lösung ist, sondern durch die direkt in die Prozesse involvierten Personen selbst gefunden wird. Eine Möglichkeit, solch einen Weg zu moderieren, ist die Supervision. Die Methode wird im Krankenhausbereich kontrovers diskutiert. Vorbehalte, Ängste, Euphorie und überhöhte Erwartungen erschweren im Vorfeld die Entscheidung, ob Supervision als Instrument der Teamentwicklung angewendet werden soll. Eine grundlegende Einsicht, dass die gerade anstehenden berufspolitischen Anforderungen im Hinblick auf Verkürzung der Verweildauer bzw. das dafür notwendige Entlassungsmanagement nur in einem gut funktionierenden Team erfolgreich betrieben werden kann, ist nicht allgegenwärtig.

Ich habe dieses Buch unter dem Aspekt gelesen, wie sich im pflegerischen Supervisions-Kontext Tätige Anregungen und Assoziationen für die in diesem Arbeitsfeld zunehmend wichtiger werdende Supervisionsarbeit herausholen kann.

In dem Buch gehen Heike Hercher und Heinz Kersting der Frage nach, inwieweit "Systemische Supervision" ein eigenständiges abgrenzbares Arbeitsfeld innerhalb des Bereiches "Supervision" ist.

Heike Hercher beschreibt im Vorfeld Inhalte und Geschichte der systemischen Supervision im deutschen Sprachraum. Ein Abriss der Systemtheorie, in dem die Entwicklung vom linear kausalen Denkansatz hin zum zirkulären Denken hin aufgezeigt wird, dient als Einleitung. An dieser Stelle werden die Wurzeln des Pflegeprozesses als ein aus der Kybernetik abgeleitetes Verfahren beleuchtet. Die Verbundenheit mit dem Konstruktivismus wird aufgezeigt. Der Beobachter eines Systems wird dabei genau so beleuchtet wie die Differenzierung zwischen System und Umwelt sowie die "Auf sich selbst Bezogenheit" eines Systems.

Das Buch erörtert einen Supervisionsbegriff der sich vom Supervisor, der weiß, was für die Gruppe gut ist, verabschiedet. Vielmehr wird eine Wirklichkeitskonstruktion unternommen, in der sich Sach- und Beziehungsebene in Richtung einer konstruktiven Zusammenarbeit gegenseitig inspirieren - eine Position, in der sich der Akteur selbst als das System mitbestimmend und verursachend begreift.

Es folgen die Abschrift und die Auswertung von sieben Interviews mit Protagonisten, die als Supervisoren/-innen arbeiten und in Aus-, Fort- und Weiterbildung tätig sind. Dabei werden schwerpunktmäßig folgende Fragestellungen unterbreitet:

  • Was ist das Wesen systemischer Supervision?
  • Welche Methoden werden benutzt?
  • Differenzierung Organisationsberatung - Therapie?
  • Bedeutung der Gendersensitivity in der Supervisionsarbeit?
  • Bedeutung von Verbänden und Zusammenschlüssen systemischer Supervision.
Die Abschnitte, in denen in diesem Buch der Begriff Systemtheorie erörtert wird, sind wie auch die Ausführungen des Begriffs Supervision umfassend, klar und gut verständlich. Das Buch vermittelt Anregungen die eigene Intentionalität im Supervisionsprozess zu reflektieren, die damit verbundenen praktischen Vorgehensweisen werden aufgezeigt.

In den Interviews, in denen Fachleute auf hohem Niveau zum Thema befragt werden, wird der Frage nachgegangen, inwieweit ein eigenständiger abgrenzbarer Bereich vorhanden ist. Ich als weder aus der reinen Sozialarbeit noch aus der Psychologie Kommender, kann diesen Sachverhalt auch nach ausführlichem Studium der Interviews nur unzureichend beurteilen. Diese Differenzierung ist im pflegerischen Supervisions-Arbeitsalltag oft nicht vordergründig wichtig. Als Praxisleitfaden sehe ich das Buch daher nicht. Es liefert vielmehr den didaktischen Hintergrund der benötigt wird um die praktische Tätigkeit bewerkstelligen zu können.