Lehrbuch der Gesundheitsförderung |
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Nicht nur im deutschen Sprachgebrauch werden die Begriffe Gesundheitserziehung, Gesundheitsbildung, Gesundheitsberatung, gesundheitliche Aufklärung, Gesundheitsvorsorge, Prävention und Gesundheitsförderung oft nebeneinander, ohne jeweils klare begriffliche Festlegung, verwendet. Der gemeinsame Nenner dabei ist das Verständnis, hiermit Aktivitäten von Personen und Institutionen zu bezeichnen, die auf die Verhütung von Krankheit und die Förderung von Gesundheit gerichtet sind. Gesundheitsförderung bezeichnet zusammenfassend die vorbeugenden, präventiven Zugänge zu allen Aktivitäten und Maßnahmen, die die Lebensqualität von Menschen beeinflussen, wobei hygienische, medizinische, psychische, psychiatrische, kulturelle, soziale und ökologische Aspekte vertreten sein können und verhältnisbezogene ebenso wie verhaltensbezogene Dimensionen berücksichtigt werden.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unternahm seit Mitte der 1980er Jahre mehrere Anläufe zur Definition eines Programms der Gesundheitsförderung, das auf eine Neubestimmung der gesundheitspolitischen Konzepte für die Industrieländer hinausläuft. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie und mit welchen Mitteln das vorhandene Gesundheitspotential von Menschen durch strukturelle und politische Initiativen und durch persönliche Unterstützung gefördert werden kann. Nach der WHO will die Gesundheitsförderung eine gesundheitsgerechte Gestaltung der sozialen und natürlichen Umwelt erreichen und zugleich jedem einzelnen Menschen die notwendigen Kompetenzen vermitteln, um seine persönliche Gesundheit zu verbessern.
Strategien und Methoden der Gesundheitsförderung können von verschiedenen Berufsgruppen in unterschiedlichen Sektoren angewandt werden. Dies setzt freilich die fundierte Qualifikation der in der Gesundheitsförderung Tätigen voraus. In Deutschland gibt es bislang aber keine Angebote, die Grundlagen und Schlüsselqualifikationen als Basisausbildung an einen breiten Kreis von Gesundheitsförderinnen und Gesundheitsförderern allgemein zugänglich vermitteln. Um Anstöße für eine derartige Basisqualifikation zu geben, hat nun die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Köln) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung das vorliegende "Lehrbuch der Gesundheitsförderung" herausgegeben. Bei der Veröffentlichung, das erste umfassende Lehrbuch der Gesundheitsförderung für den deutschsprachigen Raum, handelt es sich um eine Übersetzung des in England bei Lehrenden, Lernenden und Praktikern gleichermaßen populären Buches von Naidoo & Wills: "Health Promotion - Foundations for Practice". Wenngleich das Werk für ein englisches Publikum geschrieben wurde, unterscheiden sich die Probleme der Begrifflichkeiten, Konzeption und Strategien sowie der Planung und Wirksamkeit der Gesundheitsförderung nicht von denen in Deutschland. Dies gilt auch für die vielfältigen aufgeführten Praxisbeispiele.
Das rund 400 Seiten starke Lehrbuch, das in systematischer und anschaulicher Weise die wichtigsten Grundlagen und Schlüsselqualifikationen der Gesundheitsförderung beschreibt, gliedert sich in vier Teile. Der erste Teil ("Konzeptionelle Grundlagen der Gesundheitsförderung") befasst sich in sieben Kapiteln mit den Vorstellungen über Gesundheit, Gesundheitsaufklärung, Gesundheitserziehung und Gesundheitsförderung. Wer Gesundheit fördern will, muss sich darüber im Klaren sein, welche Absichten er dabei verfolgt und was er als Ziel der Gesundheitsförderung ansieht. Ist es die Förderung gesunder Lebensweisen? Oder ist es die Reduzierung gesundheitlicher Chancenungleichheiten und Befähigung der Menschen, ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit und ihr Leben zu erreichen? Gesundheitsförderung ist dabei nach Darstellung der Autoren auf die Stärkung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Individuen, Gruppen und Gemeinwesen ausgerichtet.
Der zweite Teil ("Strategien und Methoden") beschäftigt sich mit einigen Problemen bei der praktischen Umsetzung der Gesundheitsförderung. In fünf Kapiteln wird dabei folgenden Fragen nachgegangen: Wo liegen die Vorteile und Probleme der Zusammenarbeit? Wie können Gesundheitsförderinnen und Gesundheitsförderer zur Öffentlichen Gesundheit (Public Health) beitragen? Wie können sie mit Gruppen und Gemeinwesen arbeiten und was sind die Stärken und Grenzen des Ansatzes der Gemeinwesenentwicklung? Was beeinflusst das Gesundheitsverhalten der Menschen und wie können wir ihnen helfen, es zu ändern? Wie effektiv ist der Einsatz der Massenmedien zur Förderung der Gesundheit?
Im dritten Teil ("Gesundheitsförderung in Settings") geht es um einzelne Bereiche, in denen die Maßnahmen der Gesundheitsförderung durchgeführt werden und darum, wie diese Settings gesundheitsfördernd gestaltet werden können. Damit greifen die Autoren zugleich die jüngsten internationalen und nationalen Entwicklungen und deren Fokussierung auf die gesundheitsfördernden Settings auf. In insgesamt vier Kapiteln werden auch die Gründe dargelegt, warum die vorgestellten Bereiche Betrieb, Schule, soziales Wohnumfeld und die Gesundheitsdienste als besonders wichtige Settings der Gesundheitsförderung angesehen werden. Dabei gehen die Autoren auch auf spezifische Zielgruppen wie Jugendliche, Erwachsene und ältere Menschen ein.
Der vierte Teil ("Gesundheitsförderung organisieren") thematisiert schließlich die praktische Organisation gesundheitsfördernder Maßnahmen. Dabei wird in drei Kapiteln den folgenden Fragen nachgegangen: Wie erfasst und bewertet man die Bedürfnisse der Klientel? Sollten Maßnahmen der Gesundheitsförderung auf spezielle Zielgruppen ausgerichtet sein? Welche Strategien haben sich als erfolgreich erwiesen und was gilt es zu berücksichtigen, wenn man eine gesundheitsfördernde Maßnahme oder ein Programm plant? Und vor allem, wie kann man feststellen, ob angebotene Maßnahmen auch wirksam sind?
Das recht preisgünstige Lehrbuch stellt zu jedem der vorgestellten Themen die relevanten wissenschaftlichen Grundlagen, Forschungsergebnisse und Praxiserfahrungen vor. Diese werden durch eine Vielzahl von Projekten und Beispielen mit Aufgaben zur Reflexion, Diskussion und Entscheidungsfindung ergänzt. Das didaktisch gut aufbereitete und verständlich abgefasste Buch enthält viele Hinweise, die das Lesen und Studieren erleichtern. So beginnt jedes Kapitel mit einer Übersicht über den jeweiligen Inhalt, deren Verbindung mit anderen Kapiteln sowie einigen Kernpunkten. Praktisch und sehr hilfreich, da sie als Gedächtnisstütze der behandelnden Kernpunkte dienen, sind die kurzen Zusammenfassungen am Ende jeden Kapitels. Neben Quellenangaben finden sich hier auch jeweils Empfehlungen für weiterführende Literatur. Wenngleich die jeweilige kurze Bewertung der einzelnen Hinweise durch den Übersetzer sehr nützlich ist, wären an dieser Stelle ergänzende Angaben auf deutschsprachige Quellen sinnvoll gewesen. Besonders hervorgehoben werden können dagegen die in den Text eingestreuten Rubriken mit konkreten "Beispielen", "Übungen" und weiterführenden "Diskussionspunkten" sowie Fragen, welche die Leserinnen und Leser beziehungsweise Studierende zur weiteren Diskussion und Auseinandersetzung mit dem Thema anregen.
Insgesamt betrachtet kann das Lehrbuch, das als sehr brauchbares Arbeitsbuch auch in der Unterrichtspraxis etwa an Alten-, Kranken- und Zivildienstschulen sinnvoll eingesetzt werden kann, zunächst allen praktisch tätigen Gesundheitsförderinnen und Gesundheitsförderer in den verschiedensten Berufsfeldern wärmstens empfohlen werden. Darüber hinaus ist es auch für alle Lehrende und Studierende der verschiedensten Fachrichtungen interessant, die sich mit Fragen der Gesundheitsförderung befassen. Schließlich kann das Buch auch Anbietern von Aus-, Fort- und Weiterbildungen zur Gesundheitsförderung wertvolle Impulse und Anregungen für ihre Arbeit geben.