Thure von Uexküll |
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Mit einer kurzen Einführung und der Beschreibung des Umfeldes, in dem Thure von Uexküll aufgewachsen ist, beginnt das Buch. Hauptperson, auch im weiteren Verlauf des Buches beschrieben, ist immer wieder sein Vater, ein bedeutender Biologe seiner Zeit, der Thure von Uexküll stark prägte. Von Uexküll entscheidet sich, Medizin zu studieren, macht einen Abstecher nach Südamerika, wo er seine erste Frau kennen lernt. Er entscheidet sich, bei Gustav von Bergmann zu arbeiten. Die von Bergmann gelegten Grundlagen eines anderen, für die damalige Zeit radikal neuen Verständnisses von Krankheit und Gesundheit begeistern von Uexküll. Er ist fasziniert von dem Bemühen, das Geschehen im menschlichen Körper und in dem, was man als das Seelische bezeichnet, aufzuklären.
In der Zeit des 3. Reiches verfasst er Schriften und Bücher, die in Zusammenarbeit und Gedankenaustausch mit seinem Vater entstanden. Seine Auseinandersetzung mit anderen Wissenschaftlern, wie Piaget, Johannes Müller, Karl Ernst von Baer, Hans Driesch, Alexander Mitscherlich und Ernesto Grassi führt ihn zu neuen Ansichten, denen er in Büchern Ausdruck verleiht. Er steht oft mit seiner dabei entwickelten Auffassung von Medizin und medizinischem Handeln im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen. Nach dem Krieg warnte er in seinen Schriften vor einer Haltung der Medizin, die dazu führt, dass Patienten zu Versuchskaninchen werden. Er plädiert für eine ethische Praxis im Umgang mit jedem Patienten.
In München, wo von Uexküll wieder unter Bergmann arbeitete, und in seinem weiteren Leben immer wieder, beschäftigt er sich zusammen mit Grassi mit philosophischen Aspekten. Die zum Teil sehr kritischen Auseinandersetzungen mit Heidegger, Portmann und Bally sowie die Darstellungen seiner Grundüberzeugungen nehmen in diesen Jahren einen breiten Raum ein. Schon zu dieser Zeit gewann dabei die Psychosomatische Medizin und die Psychoanalyse eine große Bedeutung. 1949 habilitierte er sich.
Ein reger Austausch mit Alexander Mitscherlich begann Anfang der fünfziger Jahre. Während eines Aufenthaltes in Amerika begegnet er Franz Alexander, Flanders Dunbar und René Spitz. 1955 bekam von Uexküll den Lehrstuhl für Innere Medizin in Gießen, wo er die Reform des Medizinstudiums vorbereitet, mit der Einführung von psychosozialen Fächern für die Medizinstudenten. Einige Kontakte von Uexkülls zu Balint festigten seine Einstellung, dass die Anamneseerhebung und der Aufbau des Dialoges mit den Patienten, Dreh- und Angelpunkt in der Medizin sein müssen.
1966 wurde er Gründungsmitglied einer medizinisch- naturwissenschaftlichen Reformuniversität in Ulm. Hier prägte von Uexküll bis zu seiner Emeritierung 1976 den Wissenschaftsbetrieb, wenn auch manches Mal sehr kontrovers zu seinen Kollegen. Unter seiner Leitung entstand eine internistisch-psychosomatische Station. Durch Weiterbildung aller Mitarbeiter - sowohl Ärzte als auch Pflegende - wurde ein Kooperationsmodell geschaffen, in dem eine echte Teamarbeit zu Gunsten der Kranken möglich war. So erfuhren die Pflegenden, Pfarrer, Krankengymnasten und Sozialarbeiterin eine wesentliche Aufwertung in der Arbeit mit den Kranken.
1979 erschien das Lehrbuch "Psychosomatische Medizin". Bis heute ist von Uexküll in einem "fulminanten Unruhestand" und die Aussage des 92-jährigen ist bezeichnend für ihn: "Allein schon zu sagen, es fehlt etwas, setzt eine Ganzheit voraus. Und solange einem etwas fehlen kann, lebt man".
Das vorliegende Buch zum Leben und Werk Thure von Uexkülls ist Anregung für Interessierte, die sich mit dem Bereich Psychosomatik auseinander setzen. Etwas Fachkenntnis gehört allerdings dazu, wenn man nicht immer in einem Nachschlagewerk blättern möchte. Das Buch zeigt, dass das Engagement für eine ganzheitliche Medizin nicht immer leicht war. Eine umfangreiche Literaturliste mit Anmerkungen zum Text ist hilfreich, wenn man das Thema vertiefen möchte. Vermisst habe ich etwas mehr Veranschaulichung durch Beispiele. So unter anderem die Darstellung des Umgangs von Uexkülls mit den oft Schwerstkranken, der stets meine Hochachtung gefunden hat! Solche Beispiele könnten auch Laien einen realen Eindruck über die ethische Haltung von Uexküll besser vermitteln.
Das Buch hat mich angeregt, mich wieder mal mit der angeführten Literatur zu beschäftigen, und meine Arbeitszeit auf der psychosomatisch-internistischen Station zu reflektieren. Noch heute glaube ich, dass das dort praktizierte Patienten-Behandlungskonzept das Einzige in meiner mittlerweile fast 40 jährigen Berufszeit war, das wirklich den Bedürfnissen der Kranken gerecht geworden ist.