THIEMEs Intensivpflege und Anästhesie (Rezension)

THIEMEs Intensivpflege und Anästhesie (Ullrich, Lothar et al. (Hrsg. )

Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2005, XX, 663 S., 484 farbige Abb., 188 Tab., mit 1 Video-DVD, 39,95 €, ISBN 3-13-130911-3

Rezension von: Ortud Berning-Sembach und Paul-Werner Schreiner

Nach dem 1993 letztmals erschienenen, über lange Zeit auch in der pflegerischen Fachweiterbildung für Anästhesie und Intensivmedizin weit verbreiteten Lehrbuch „Praxis der Intensivmedizin“ liegt nun aus dem Georg Thieme-Verlag auch ein spezifisches Lehrbuch für die Intensivpflege und Anästhesie vor. Die Ausführungen basieren weithin auf den Unterrichtsmaterialien der Fachweiterbildung Anästhesie/Intensivmedizin an der Universität Münster, dies trifft vor allem für den pflegerischen Teil zu.

Das umfangreiche Werk ist in sechs Teile gegliedert:

  • Aufbau und Organisation von Intensivpflege- und Anästhesieeinheiten
  • Menschenbild und Grundorientierung
  • Intensivpflege
  • Intensivmedizinische Versorgung von Menschen mit speziellen Erkrankungen
  • Grundlagen der Anästhesie
  • Fallorientierte Pflege in Anästhesie.
In dem Abschnitt „Menschenbild und Grundorientierung“ finden sich gleich am Anfang des Buches umfangreiche Ausführungen zu den Möglichkeiten und vor allem Grenzen der Intensivmedizin.

Der Abschnitt „Intensivpflege“ ist der umfangreichste des Buches. Er ist nicht nach den typischen Systematik der Aktivitäten des täglichen Lebens eingeteilt; dies werden jedoch gemessen an ihrer Bedeutung für die intensivpflegerische Versorgung kranker Menschen ausführlich bearbeitet.

Als spezielle Erkrankungen werden die des Atemsystems, des Herzkreislaufsystems, des Verdauungssystems, der Nieren, des Nervensystems, des blutbildenden Systems und des endokrinen Systems dargestellt. Weitere Abschnitt sind der Versorgung von Menschen mit SIRS, Sepsis, Multiorganversagen, Intoxikationen und Verbrennungen gewidmet. Jeweils eigene Kapitel beschäftigen sich mit der Versorgung von polytraumatisierten Menschen sowie der von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen.

In dem Abschnitt über die Grundlagen der Anästhesie ist der präoperativen pflegerischen Visite ein eigenes Kapitel gewidmet. In dem letzten Abschnitt werden Narkoseverfahren und spezielle Anästhesieprobleme in den einzelnen operativen Disziplinen erläutert.

Im Anhang sind zahlreiche Tabellen mit Normwerten sowie Kopiervorlagen für eine Pflegeanamnese, Pflegeplanung und einen pflegerischen Überleitungsbericht enthalten. Literaturhinweise finden sich jeweils am Ende der einzelnen Kapitel. Ein ausführliches Stichwortverzeichnis erleichtert die Arbeit mit dem Lehrbuch.

Dem Buch liegt eine CD bei, auf der Handlungssequenzen aus der Intensivpflege, der Anästhesie und pflegerischen Assistenz bei ärztlichen Maßnahmen dargestellt werden. Die teilweise langatmige Darstellung dient Lehrzwecken; dem Auszubildenden muss verdeutlicht werden, dass es so in der Realität nicht ablaufen kann. Ärgerlich und auch nicht wirklich verständlich ist, dass zum Abspielen der Videosequenzen eine spezielle Software notwendig ist, die jedoch nicht mitgeliefert wird. Wünschenswert und sicher auch technisch möglich wäre, die Videos in einem Format anzubieten, die der Media-Player lesen kann - ein Lehrbuch ist sicher nicht der geeignete Ort, um gegen Herrn Gates ein Zeichen zu setzen.
Einige Anmerkungen zu den Videos:

  • Bei der Auswahl der pflegerischen Handlungssequenzen hätte man sich mehr alltägliche intensivpflegerische Maßnahmen, z.B. die Mundpflege beim oral intubierten Patienten oder die pflegerische Versorgung eines Tracheostomas, gewünscht.
  • Bei einigen Sequenzen fehlen schlicht Handlungsschritte, z.B. beim Messen des ZVD - hier hätte man sich doch gewünscht, dass gezeigt wird, wie das Kreuz auf den Thorax kommt.
  • Die Darstellung der Vorbereitung von Spritzenpumpen und Infusionspumpen ist ärgerlich, da es sich um eine Schleichwerbung für die Firma Braun handelt. Bei dem differenzierten Angebot an Geräten, bei denen die der Firma Braun nun mit Sicherheit nicht an der Spitze stehen, sollten solche Sequenzen in einem Lehrbuch nicht erscheinen.
  • Bei den Grundlagen der Anästhesie ist es sicher wichtig, dass das Prinzip des Kreissystems dargestellt wird; dabei kann z.B. auch ein Foto des Sulla gezeigt werden. Diesen Herrn aus Rom aber als das typische Narkosegerät dazustellen (auch wenn es noch in vielen Abteilungen Sullas gibt), scheint nicht mehr zeitgemäß; die Herren Cato und Cicero wären eher angemessen; sie nicht zu erwähnen ist jedenfalls unangemessen.
Positiv ist hervorzuheben, dass im Text zahlreiche Definitionen, Fallbeispiele und Praxistipps enthalten sind; Besonderheiten sind als Merker gekennzeichnet; an nicht wenigen Stellen wird sehr realitätsbezogen auf die mitunter schwierige Situation der Pflegenden und z.B. auch einmal darauf eingegangen, was zu tun ist, wenn es nicht mehr geht. Auf Definitionen, Fallbeispiele und Praxistipps wird ebenso wie auf die Videos an verschiedenen Textstellen quer verwiesen. Ebenfalls positiv zu bewerten ist die farbliche Gestaltung.
Kritisch ist die mit 9 Punkt doch sehr kleine Schrift zu werten, zumal der Durchschuss auch 10 Punkt nicht erreicht, was dem Leser mit zunehmenden Jahren Probleme bereitet; ebenso sehr klein sind die erwähnten Verweiszeichen. Gemessen an den Alternativen kann das Buch sowohl für die Fachweiterbildung als auch für die Arbeit in der Anästhesie und Intensivpflege empfohlen werden.