Pflegetechniken (Rezension)

Pflegetechniken (Kirschnick, Olaf )

Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2006, 3., komplett neu bearb. und erw. Aufl., 506 S., 778 Abb., DVD mit. 72 Videos, 24,95 €, ISBN 3131272732

Rezension von: Paul-Werner Schreiner

Auf die Frage, was denn Pflege sei, sind mehrere Antworten möglich. Eine denkbare Antwort ist, dass Pflege eine Kunst ist. Das griechische Wort für Kunst - τέχνη - verweist auf die Vielfalt von Bedeutung, die sich hinter dem Begriff „Kunst“ verbergen: τέχνη steht unter anderem auch für Wissenschaft und Handwerk. Pflege erhebt den Anspruch, eine Wissenschaft zu sein, sie ist in der Praxis sicherlich in vielerlei Hinsicht und ganz wesentlich Handwerk. Das bedeutet, dass in der Pflege Techniken zur Anwendung kommen und die Pflegenden diese sachgerecht durchführen können müssen.

So gesehen ist das jetzt in dritter, neu bearbeiteter und erweiterter Auflage erschienene Werk über Pflegetechniken nur zu begrüßen. Dass es neben den einschlägigen Lehrbüchern seine Berechtigung hat, zeigt sich alleine daran, dass der Inhalt des vorliegenden Buches mit gut 500 Seiten, wollte man ihn komplett in ein Pflegelehrbuch integrieren, den Umfang der ohnehin schon kiloschweren Lehrbücher endgültig sprengen würde.

Die dargestellten Pflegetechniken sind alphabetisch angeordnet. Sie reichen von originär pflegerischen Maßnahmen wie Ganzkörperwäsche bis hin zu medizinisch technischen Tätigkeiten wie das Schreiben eines Elektrokardiogramms.

Die Tatsache, dass der/die eine oder andere Pflegende, die das Buch in die Hand nimmt, die eine oder andere Technik in anderer Weise erlernt hat und in der Praxis auch anders durchführt, mindert nicht den Wert des Buches - bei vielen Maßnahmen gibt es nicht einen einzigen Königsweg. So scheint es auch nicht angebracht, die einzelnen dargestellten Pflegetechniken auf eventuell denkbare Varianten hin zu untersuchen. Fragwürdig scheint alleine, dass auch in diesem Buch, wie schon in THIEMEs Pflege, ein Kapitel über das Bettenmachen enthalten ist. Das Bettenmachen mit im Bett liegendem Patienten hat sicher seine Berechtigung. Wie jedoch ein Bett ohne darin liegendem Patienten gemacht wird, sollte ein 17-jähriger wissen; und das Zelebrieren der richtigen Ecke beim Bettlaken, entbehrt im Zeitalter von Spannbetttüchern nicht einer gewissen Komik - der Rezensent erinnert sich mit Schmunzeln an seine Bettenprüfung im Jahre 1974, die damals wahrscheinlich schon ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit war.

Für die/den erfahrene/n Pflegende/n sind die Ausführungen, auch wenn andere Vorgehensweisen vorstellbar sind und nicht falsch sein müssen, wertvoll, weil er/sie anhand der in dem Buch ausgeführten Begründung einmal die eigene, eventuell abweichende Vorgehensweise kritisch überprüfen kann. Für Berufsanfänger sind die Ausführungen in jedem Fall hilfreich. Neben der alphabetischen Anordnung erleichtert ein Sachregister die Orientierung in dem Buch. In den einzelnen Kapiteln wird auf zentrale Begriffe verwiesen, die in einem ausführlichen Glossar erläutert werden.

Wie die anderen Thieme-Lehrbücher enthält auch dieses eine DVD, mit einigen instruktiven Videos (diese sind z.Teil aus den anderen Lehrbüchern übernommen). Ärgerlich und auch nicht wirklich verständlich ist, dass zum Abspielen der Videosequenzen eine spezielle Software notwendig ist, die jedoch nicht mitgeliefert wird. Wünschenswert und sicher auch technisch möglich wäre, die Videos in einem Format anzubieten, die der Media-Player lesen kann - ein Lehrbuch ist sicher nicht der geeignete Ort, um gegen Herrn Gates ein Zeichen zu setzen.

Zu den Videos seien einige kritische Anmerkungen erlaubt:

  • In vielen Handlungssequenzen, in denen an oder mit Patienten im Bett agiert wird, arbeiten die Akteure (ähnlich wie auch in einigen Videosequenzen von Thiemes Pflege) mit deutlich gebeugtem Rücken, obwohl die Betten höhenverstellbar sind. Nur einmal wird darauf hingewiesen, dass das Bett in Arbeitshöhe gebracht werden sollte, was dann aber auch nicht wirklich erfolgt.
  • Die in Kinästhetik- und z.T. auch in Bobath-Kursen gelehrte Praxis, dass die Akteure für bestimmte Handlungen ins Bett steigen, muss nach wie vor als nicht akzeptable Unsitte kritisiert werden. Eine solche Vorgehensweise, die auch im Buch dargestellt wird, ist angesichts der Problematik von MRSA geradezu anachronistisch.
  • Angesichts der Tatsache, dass der Autor vermutlich Schwabe ist, zumindest im Schwäbischen arbeitet, und möglicherweise auch der Lektor diesem Sprachraum angehört, ist es nicht verwunderlich, dass die Differenzierung zwischen Füßen und Beinen nicht immer glückt. Dass bei den Ausführungen über Infusions- und Spritzenpumpen Schleichwerbung für die Firma Braun gemacht wird, ist unerfreulich. Wie ein Gerät, von schier endlos vielen am Markt vorhandenen, funktioniert, ist nicht wirklich interessant; wichtig wäre, die grundlegenden Arbeitsweisen der Geräte und die unterschiedlichen Steuerprinzipien darzustellen.
Trotz der kritischen Anmerkungen sei das vergleichsweise preiswerte Buch empfohlen.