Pflegeplanung für Menschen mit Demenz<BR>Was Sie schreiben können und wie Sie es schreiben können (Rezension)

Pflegeplanung für Menschen mit Demenz
Was Sie schreiben können und wie Sie es schreiben können (Messer, Barbara )

Schlütersche Verlagsanstalt, Hannover, 2004, 206 S., 29,80 €, ISBN 3-87706-732-8

Rezension von: Paul-Werner Schreiner

Die Pflegedokumentation ist nach wie vor ein Problemfeld. Dabei scheint das Hauptproblem darin zu bestehen, dass niemand so ganz genau zu sagen weiß, was dazu gehört und wie es gemacht werden soll. Da gibt es regionale unterschiedliche Anforderungen seitens der Heimaufsicht und seitens des MDK; dann list man von Bemühungen der Entrümpelung der Pflegeplanung bis dahin, dass in Regierungspräsidien dafür eigens Stabsstellen geschaffen werden usw. All dies trägt zu Verunsicherung der Mitarbeiter bei. Dazu kommt, dass diese vielfach mir umfangreichen Dokumentationsbögen der verschiedenen Anbieter konfrontiert werden, die sich alle dadurch auszeichnen, dass sie die Realität der Pflege wenig oder nicht abbilden, was wiederum dazu beiträgt, dass die Mitarbeiter nicht motiviert werden, die Dokumentation angemessen zu führen - sie wird als notwendiges Übel erlebt.

Dass die Pflegeplanung als Teil der Pflegedokumentation bereitet vor allem bei Menschen, die sich hinsichtlich ihrer Bedürfnisse nicht (mehr) eindeutig äußern können, immer Probleme - und dies ist bei Menschen mit einer Demenz nahezu regelhaft der Fall. So werden Mitarbeiter der stationären Altenhilfe ein Buch zur „Pflegeplanung für Menschen mit Demenz“ interessiert in die Hand nehmen. Die Autorin ist Altenpflegerin mit langjähriger Pflegepraxis.

Das erste Kapitel informiert über das Krankheitsbild „Demenz“, die Diagnostik und Möglichkeiten der Einschätzung des Krankheitsverlaufs. Im zweiten Teil werden Konzepte vorgestellt, die zum einen helfen, die Lebenswelt der Menschen mit Demenz besser zu verstehen, und damit zum anderen auch die Grundlage für Betreuung und Pflege dieser Menschen bilden (Psychobiografisches Pflegemodell nach Böhm, Validation nach Naomi Feil usw.). Im dritten Kapitel wird das Konzept des Neurolinguistischen Programmierens vorgestellt, das dazu beitragen soll, den dementen Menschen besser zu verstehen. Der Biografiearbeit und hier vor allem dem Erheben der biografischen Daten ist das vierte Kapitel gewidmet.

Im fünften Kapitel werden die Grundlagen des Pflegeprozesses erläutert, wobei die Autorin begrüßenswerterweise einen „fähigkeitsorientierten“ Ansatz verfolgt. Diesem Ansatz folgend wird im sechsten Kapitel das Pflegemodell der Fähigkeiten und existenziellen Erfahrungen (FEDL) et. Das Modell umfasst 14 Fähigkeiten - mithin nach den 13 AEDL von Krohwinkel also eine weitere Differenzierung der guten alten ATL. Auch wenn der an den Fähigkeiten (Ressourcen) orientierte Ansatz im Vergleich zu dem vielfältig praktizierten problemorientierten Ansatz zweifelsfrei der Vorzug zu geben ist und auch mit den 14 aufgelisteten Fähigkeiten sicher die Realität der Betreuung alter und dementer Menschen gut erfasst wird, stellt sich dem Rezensenten dennoch die Frage, ob hier nicht die ohnehin bestehende Begriffsverwirrung eine weitere Steigerung erfährt - manchmal, denke ich, sollten wir vielleicht die ganz alten sex res non naturales bedenken und überlegen, inwieweit die diversen Differenzierungen wirklich weitergeführt haben.

Im siebten Kapitel wird in das Thema „Pflegediagnosen“ eingeführt. Die Autorin weist hier zur Recht darauf hin, dass in den vorhandenen Pflegediagnosen-Taxonomien zum Teil Maßnahmen aufgelistet sind, die zwar richtig sein mögen, aber an der Realität vorbei gehen. Auch der hervorgehobene Hinweis ist richtig und wichtig, dass nämlich, wer eine Diagnose über einen anderen Menschen ausspricht, diesen beurteilt. Häufig verwendete Pflegediagnosen ordnet die Autorin ihren FEDL zu.

Im achten Kapitel werden exemplarisch einige Pflegeplanungen für Menschen mit Demenz durchgeführt. In diesem Kapitel ebenfalls enthalten sind Formulierungsvorschläge, die sicher, wie die Autorin dies auch am Anfang des Buches schreibt, als Steinbruch verwendet werden können.

Das letzte Kapitel ist der Begutachtung pflegebedürftiger Menschen gewidmet. Insgesamt wird hier vieles nur angerissen, sodass dieses Kapitel vielleicht besser entfallen wäre. Das Buch würde dadurch nichts verlieren.

Ganz am Ende steht die Geschichte vom Mädchen mit dem Eis, das davon handelt, dass die Enkelin die beobachtbaren Veränderungen bei der Großmutter nicht versteht. Die Enkelin brachte der Großmutter immer ein Eis mit, worüber diese sich freute, und nahm sie in den Arm. Die Geschichte endet: „Schließlich war das wichtiger: sich an Liebe zu erinnern als an irgendeinen Namen.“

Das nicht unbedingt preiswerte Buch kann den in der Betreuung von Menschen mit Demenz Tätigkeiten viele hilfreiche Informationen und Hinweise geben; so sei es durchaus zur Lektüre empfohlen. Gleichwohl ist aus der Sicht einer Pflegefachkraft bei der Heimaufsicht eine grundlegende kritische Überlegung anzumerken: Alle Untersuchungen zur Pflegedokumentation haben ergeben, dass eine handschriftliche Pflegedokumentation eigentlich immer zum Scheitern verurteilt ist. Dass die Pflegeanamnese von entscheidender Bedeutung ist, sei nicht bestritten, dass aber ein 15seitiger Anamnesebogen praktikabel ist, sehr wohl. Bei den Tätigkeitsdokumentationen kommt es bei allen am Markt vorfindlichen Dokumentationsbögen zu Dopplungen und unsinnigen Anachronismen, zudem bestimmt in vielen Fällen derjenige, der zufällig am 1. des Monats Dienst hatte, mit seinen Eintragungen darüber, was den Monat über gemacht wird - häufig vollkommen unabhängig von der Realität. Handschriftliche Pflegeplanungen und Zielformulierungen kranken zum einen am pragmatischen Telegrammstil, der mitunter zu haarsträubenden Stilblüten führt, und zum anderen daran, dass eine wirkliche Aktualisierung nicht erfolgt, oder daran, dass, wenn tatsächlich aktualisiert wird, die Dokumentation vollkommen unübersichtlich wird - von dem Problem nicht gut leserlicher Handschriften sei hier einmal gar nicht die Rede. Ich will damit darauf hinweisen, dass man m.E. im Jahre 2004 nicht mehr Pflegedokumentation publizieren kann, ohne zumindest die Möglichkeiten der EDV-gestützten Dokumentation einzubeziehen.

Noch eine formale Verständnisfrage an das Lektorat oder die Herstellung: Weshalb erscheint in Kapitel 5 ab Abschnitt 5.3.2 als Rubriküberschrift „Allgemeine Ethik“?