Bücher zum Thema „Demenz“ (Rezension)

Bücher zum Thema „Demenz“ ()

Rezension von: Paul-Werner Schreiner

Das, was heute als demenzielle Erkrankung beschrieben wird, ist seit dem Altertum bekannt; und es gab schon im Altertum erstaunlich differenzierte Beschreibungen. Allgemeines Interesse, nicht nur in medizinischen Fachkreisen, erlangte das Thema jedoch erst im Zusammenhang mit dem Größerwerden des Anteils alter und sehr alter Menschen in der Gesellschaft. Und da die Sozialpolitik von der Devise „ambulant vor stationär“ geleitet wird, ist die Betreuung verwirrter alter Menschen nicht nur ein Problem stationärer Einrichtungen, sondern eines, von dem viele Familien, hier vor allem Frauen, Töchter Schwiegertöchter usw., betroffen sind. Die stationären Einrichtungen sind insofern im Besonderen betroffen, als dort in sehr hoher Konzentration Menschen mit besonders schweren Verläufen untergebracht sind.

Auch wenn die Probleme bei der Betreuung verwirrter alter Menschen ganz ähnlich sind, sind jedoch die zu Grunde liegenden Ursachen sehr unterschieden; entsprechend different sind auch die therapeutischen Interventionsmöglichkeiten.

Im Folgenden werden neuere Publikationen vorgestellt, in denen über den aktuellen Kenntnisstand bezüglich demenzieller Erkrankungen informiert wird.

Gutzmann, Hans und Susanne Zank
Demenzielle Erkrankungen
Medizinische und psychosoziale Interventionen
Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, 2005, 228 S., 17,00 €, ISBN 3-17-017658-7

Die Autoren sind Psychiater zum einen und Psychologin zum anderen. Sie verweisen schon im Vorwort darauf, dass sie durch ihre jeweilige Profession bedingt bezüglich mancher Fragestellungen unterschiedliche Gewichtungen vornehmen. Sie seien sich aber einig darin, dass medikamentöse und psychosoziale Behandlungen gleichermaßen bedeutsam sind und bis zum Durchbruch kurativer, medizinischer Behandlungsmöglichkeiten den psychosozialen Interventionsmöglichkeiten zentrale Bedeutung zukommt.

Nach einer Einführung ist das Buch in zwei Teile gegliedert. In dem ersten Teil werden die medizinischen Grundlagen und Interventionsmöglichkeiten erläutert. Nach der Definition und Beschreibung des klinischen Bildes der Demenzen wird in einem Exkurs darauf aufmerksam gemacht, dass in der allgemein anerkannten medizinischen Diagnose-Systematik (ICD-10) der Begriff „Verwirrtheit“ nicht mehr gebräuchlich ist, während die Systematik der Pflegediagnosen (NANDA) „Chronische Verwirrtheit“ kennt. Diese terminologischen Probleme zwischen den Professionen können, so die Autoren, sehr wohl praktische Konsequenzen für die Patienten haben, weshalb sie abgeklärt werden sollten. In diesem ersten Teil des Buches werden die verschiedenen primär degenerativen Demenzen und die vaskulären Demenzformen mit der jeweiligen Klinik und den denkbaren therapeutischen Maßnahmen beschrieben.

Der zweite Teil ist den psychosozialen Interventionsmöglichkeiten sowie den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gewidmet. Nach der Darstellung der psychotherapeutischen Behandlungsmethoden wird auch die wissenschaftliche Evaluation dieser Maßnahmen beschrieben. In einem Kapitel wird die Situation der pflegenden Angehörigen erörtert, die in der Regel selbst unterstützende Maßnahmen bedürfen. Das Gleiche gilt für die professionellen Helfer, deren Situation differenziert nach ambulantem und stationärem Bereich betrachtet wird. Im letzten Kapitel beschäftigen sich die Autoren mit der Versorgungsrealität, zu der ganz wesentlich auch die Kostenfrage gehört; es wird hier über Studien berichtet, mit denen untersucht wurde, wie sich der Einsatz von Medikamenten auf die pflegerischen Versorgungskosten auswirkt. Mit Blick auf die Zukunft werden die Möglichkeiten der Prävention sowie die damit verbundenen ökonomischen Konsequenzen erörtert.

Am Ende jedes Abschnitts ist spezifisch weiterführende Literatur aufgelistet. Darüber hinaus findet sich am Ende des Buches ein ausführliches Literaturverzeichnis.

Das preiswerte Taschenbuch bietet dem Leser eine Fülle an Informationen und ist durch Kontrollfragen am Ende jedes Kapitels auch gut zum Selbststudium geeignet.

Martin, Mike und Hans Rudolf Schelling (Hrsg.)
Demenz in Schlüsselbegriffen
Grundlagen und Praxis für Praktiker, Betroffene und deren Angehörige
Verlag Hans Huber, Bern, 2005, 281 S., 29,95 €, ISBN 3-456-84191-4

Die Herausgeber arbeiten am Psychologischen Institut der Universität Zürich und dort am Lehrstuhl für Gerontopsychologie und Zentrum für Gerontologie. Über die Autoren der einzelnen Kapitel erfährt man leider nichts weiter.

Das Buch ist in sieben Teile gegliedert:

  • Neuropsychologische Früherkennung und Diagnostik der Demenzen
  • Demenz als Krankheit und Diagnose: Mentale Repräsentationen und Einstellungen
  • Umgang mit Demenzkranken und Angehörigen
  • Pharmakologische Behandlung der Demenz
  • Stationäre Versorgung demenzbetroffener Menschen – Unterstützung der Angehörigen und Pflegenden
  • Hintergrund: Genetik demenzieller Erkrankungen und Genetikberatung
  • Demenz: Perspektiven und offene Fragen.
Die einzelnen, noch einmal untergliederte Teile können unabhängig von einander wie Handbuch-Artikel gelesen werden. Am Ende jedes Teils findet der Leser ein umfangreiches Literaturverzeichnis und am Ende des Buches ein ausführliches Stichwortverzeichnis.

Alle Teile sind in gleicher Weise lesenswert, wobei die Ausführungen über die pharmakologische Behandlung der Demenz oder die über die Genetik demenzieller Erkrankungen schon gewisse Vorkenntnisse erfordern. Zwei Aspekte haben den Rezensenten im Besonderen angesprochen, vielleicht, weil sie diese in anderen Publikationen so nicht oder nicht in dieser Klarheit behandelt werden.

  • Einer der Herausgeber, Hans Rudolf Schelling, geht im zweiten Teil des Buches ausführlich auf Wissen und Vorstellung von und Einstellungen zu Demenz in der Gesellschaft ein; interessant sind auch die Ausführungen zur Einschätzung des Wohlbefindens und der Lebensqualität von an Demenz Erkrankten durch Dritte.
  • Im dritten Teil „Umgang mit Demenzkranken und Angehörigen“ geht der Autor mit klaren Worten auf die ethischen Probleme in der terminalen Betreuung Demenzkranker ein, wobei er sich auf von entsprechenden Schweizerischen Fachgesellschaften bezieht.
Das Buch sei sei zur allgemeinen Lektüre, aber auch zum punktuellen Nachschlagen sehr empfohlen.