Autonomie im Alter<BR>Leben und Altwerden im Pflegeheim – Wie Pflegende die Autonomie von alten und pflegebedürftigen Menschen fördern. (Rezension)

Autonomie im Alter
Leben und Altwerden im Pflegeheim – Wie Pflegende die Autonomie von alten und pflegebedürftigen Menschen fördern. (Huber, Martin et al. )

Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover, 2005, 176 Seiten, 16,90 €, ISBN 3-87706-688-7

Rezension von: Dr. phil. Sven Lind

Autonomie im Alter bei zunehmender Gebrechlichkeit und damit auch Hilfebedürftigkeit und Abhängigkeit von Betreuungs- und Pflegeleistungen ist ein äußerst diffiziler und komplexer Gegenstandsbereich, da hier subjektive Erwartungen mit medizinischen, pflegerischen und auch betriebwirtschaftlichen und zugleich sozialpolitischen Erfordernissen und Rahmenbedingungen in Einklang zu bringen sind. Allgemein gesellschaftlich anerkannte Positionen oder Leitvorstellungen existieren gegenwärtig noch nicht, so ist es dann auch nicht weiter verwunderlich, dass in diesem Kontext ein hoher Bedarf an Handlungs- und Entscheidungswissen besteht.

Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich überwiegend um die Ergebnisse eines Forschungsprojektes „Autonomie im Alter“ der Katholischen Fachhochschule Freiburg. Eine Arbeitsgruppe von Pflegenden hat sich dieser Thematik auf verschiedenen Ebenen zu nähern versucht. Zu Beginn eine Begriffsklärung auf philosophischer, systemtheoretischer und ethischer Ebene, es folgen die Darstellungen über ein Erfassungsmodell („Collopy-Konzept“) und Ergebnisse mehrerer Erhebungen über die Autonomie in stationären Einrichtungen der Altenhilfe (u. a. die MUGSLA-Studien von 1998). Hieran anknüpfend stellen die Autoren ihr Projekt vor: Sechs Bewohnerinnen aus dem Heimbereich wurden hinsichtlich ihrer persönlichen Erfahrungen mit der Selbstbestimmung bei den konkreten Verrichtungen und Dienstleistungen (u. a. Körperpflege, Ernährung, Wohnen und Freizeit) befragt. Die Interviews zeigen, dass die Frauen sich gut informiert fühlten. Ihren Entscheidungsspielraum hingegen schätzten sie aufgrund der vorgegebenen Handlungs- und Versorgungsroutinen als eher gering ein.

Die „Perspektiven für eine Autonomie fördernde Pflege“ im nachfolgenden Kapitel nehmen ca. die Hälfte des Textes in Anspruch, wobei folgende inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt werden: Die Entwicklung einer Autonomie fördernden Pflege in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, die Planung des Heimeintritts, die Entwicklung einer Biografie-Sensibilität, neue Strategien des Managements der Altenpflege und „moderne“ Konzepte der Altenpflege. Hierbei werden u. a. auch ausführlich Konzepte der so genannten „Selbstpflege“ der Pflegenden (u. a. Stressimmunisierungs- und Konflikttraining) und bisher noch nicht bezüglich ihrer Wirksamkeit überprüfte Ansätze wie die so genannte „Eden-Alternative“ und das so genannte „Domino-Coaching“ angeführt. Den Abschluss der Arbeit bilden knappe Ausführungen über die Möglichkeiten der Umsetzung dieser Perspektiven.

Es bleibt kritisch anzuführen, dass es den Autoren nicht gelungen ist, die Thematik Autonomie alter Menschen im Heim in ihrer Komplexität angemessen zu erfassen. Es werden zwar einige Bausteine und Kategorien auf empirischer und normativer Ebene entwickelt, doch gelingt es nicht, diese zu einem für die Pflege relevanten Handlungs- und Orientierungskonzept zu verdichten. Es wurde in dieser Studie nicht das Faktum berücksichtigt, dass eine verstärkte Autonomie der Hilfe- und Pflegebedürftigen immer auch die Analyse der jeweiligen objektiven Arbeitsbedingungen der Pflegenden hinsichtlich Arbeitsbelastung und Bewältigungsvermögen als Parameter vorauszusetzen hat. Ohne diesen empirisch fundierten Bezugsrahmen lässt sich kein Pflegemodell bezüglich der Autonomie alter Menschen im Heim entwickeln.