Pflege von Menschen höherer Lebensalter (Dibelius, Olivia und Charlotte Uzarewicz )Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, 2006, 300 S., 18 Abb., 19 Tab., 19,80 €, ISBN 978-3-17-017969-1Rezension von: Paul-Werner Schreiner |
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Die zahlenmäßige Zunahme alter Menschen in der Bevölkerung bedingt, dass sich die Akteure der Gesundheitsversorgung in besonderer Weise damit beschäftigen müssen. Die Vorgehensweisen in den für die gesundheitliche Versorgung vorgesehenen Institutionen müssen angepasst werden.
Der Verlag W. Kohlhammer begleitet dies mit einer auf 22 Bände angelegten Buchreihe „Grundriss Gerontologie“, in der über die mit den Fragestellungen befassten Disziplinen hinweg verschiedene Aspekte aufgegriffen werden. In dem hier vorzustellenden Taschenbuch wird aus pflegewissenschaftlicher Perspektive ein Aufriss der Pflege von Menschen höherer Lebensalter gegeben.
Im Vorwort führen die Autorinnen aus, dass sich die Pflege „den engen Bereich des Krankenhauses sowie der ärztlichen Assistenz verlassen und sich an Universitäten/Fachhochschulen in verschiedenen Studiengängen etabliert“ habe. Pflege sei nach dem Pflegequalitätssicherungsgesetz dazu verpflichtet „nicht nur hochwertige Arbeit zu leisten, sondern diese auch gegenüber den einzelnen Menschen, anderen Gesundheitsprofessionen und der Gesellschaft zu rechtfertigen. Eine moderne professionalisierte Pflege umfasst Aufgaben wie Kuration, Begleitung, Information, Beratung, Anleitung von Laien, Gesundheitsförderung, Organisation, Bildung, Prävention, Rehabilitation, Evaluation, Forschung und Entwicklung.“ Und weiter: „Der gesellschaftliche Auftrag der Pflege besteht vor allem darin, zentrale Größen – wie z. B. Gesundheit, Autonomie, Integrität – sicherzustellen bzw. zu garantieren. Somit stellt die Pflege ein Bindeglied zwischen der Allgemeinheit, den gesellschaftlichen Kontexten und Bedingungen und den Individuen in ihrer jeweiligen Seinsweise dar. Damit ist aber auch gleichzeitig gesagt, dass die Qualität der Pflege nicht nur abhängig ist von der Kompetenz der einzelnen Pflegenden, sondern immer auch von der Qualität der Rahmen- und Arbeitsbedingungen.“ Damit ist der inhaltliche Rahmen des Buches umrissen. Das Buch wendet sich an die Angehörigen aller, Pflegeberufe, Lehrende, Studierende und Auszubildende sowie an interessierte Laien, die sich mit dem Thema beschäftigen wollen.
In dem ersten Buchteil werden die gesellschaftlichen Veränderungen und die dadurch bedingten Anforderungen an die Versorgungsstrukturen skizziert. Nach einem kursorischen Überblick über die demografischen Veränderungen und die dadurch bedingten Anforderungen an die Versorgung älterer Menschen werden die in Deutschland relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen beschrieben. Auf die Problematik spezifischer Zielgruppen – Menschen mit psychischen Veränderungen (Demenz, Depression), Menschen mit Behinderungen, alleinstehende Personen, Migranten – wird in einem eigenen Kapitel eingegangen. Ausführungen über Wohn-, Betreuungs- und Pflegeangebote für Menschen höherer Lebensalter schließen den ersten Buchteil ab.
Der zweite Buchteil ist „Kernthemen der Pflege von Menschen höherer Lebensalter“ gewidmet. Nach Ausführungen zu den pflegewissenschaftlichen Grundlagen und zu Pflege als Prozess der Beziehungsgestaltung wird in einem spannenden Kapitel über den Begriff der Leiblichkeit und seine Bedeutung für pflegerisches Handeln reflektiert. Weitere Themen in diesem Buchteil sind transkulturelle Pflege und Ethik im Umgang mit Menschen höherer Lebensalter. Auch wenn für die Zielsetzung des Buches grundsätzlich nicht zu kritisieren ist, dass die meisten Themen kursorisch und nicht vertiefend abgehandelt werden, sind doch bezüglich der Ausführungen in dem Ethik-Kapitel einige kritische Anmerkungen notwendig. Es wird problematisiert, dass alte Menschen „Opfer“ von Rationierungen gesundheitlicher Leistungen sind. Unbesehen der Frage, ob dies so ist, fehlt hier der Hinweis darauf, dass gesellschaftlich eine ernst zu nehmende Debatte über die Begrenzung des Einsatzes von auf Lebensverlängerung ausgerichteter medizinischer Maßnahmen verweigert wird. Pflege ist in die medizinische Versorgung stets nicht nur eingebunden, sondern immer an sie gebunden. Der Begriff „Palliativpflege“ findet zwar in einem Abschnitt über Würde als Leitkategorie bei der Sterbebegleitung Erwähnung; wünschenswert wäre hier aber ein Nachdenken über eine medizinische Versorgung, die wirklich die Bezeichnung „palliativ“ verdienen würde. Dazu gehört auch, dass dargestellt würde, wer über die Vorgehensweise entscheidet. Dass in einem Buch über die Pflege von Menschen höherer Lebensalter Ausführungen über das Betreuungsrecht, über das Erteilen einer Vorsorgevollmacht sowie das Thema „Patientenverfügung“ fehlen, steht zwar vielleicht im Einklang mit einem Teil des gesellschaftlichen Mainstreams, in dem diese Themen gerne tabuisiert werden, muss aber in der Sache als erhebliches Manko bezeichnet werden.
Der dritte Buchteil informiert über die Rahmenbedingungen und die Gestaltung der pflegerischen Arbeit in Institutionen der Altenhilfe. Themen sind hier das Pflegemanagement, der Pflegeprozess, Pflegediagnosen, Assessmentverfahren sowie Pflegeüberleitung und Case-Management.
Im letzten Teil wird ein Ausblick über die Zukunft der Pflegeberufe und deren Tätigkeitsfelder versucht, der naturgemäß wenig konkret ist.
Alle Kapitel enden mit einer Zusammenfassung, Kontrollfragen und hinweisen zu weiterführender Literatur speziell zu diesem Kapitel, sodass das Buch sehr wohl auch als Studienbuch genutzt werden kann. Den in der Betreuung alter Menschen Tätigen gibt es einen guten Überblick über das Handlungsfeld. Das Buch ist als Ganzes konzipiert – und verdient auch als solches gelesen zu werden. Die einzelnen Kapitel sind aber in sich abgeschlossen, können also auch isoliert gelesen werden.
Insgesamt sei das preiswerte Buch – trotz der Kritik an dem Kapitel „Ethik“ – zur Lektüre empfohlen.