Künstliche Ernährung und Ethik (Arved Weimann et al. (Hg.) )Papst Science Publishers, Lengerich, 2009, 207 S., 20 €, ISBN 978-3-89967-507-8Rezension von: Irmgard Hofmann |
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Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM) führte im November 2007, in Zusammenarbeit mit der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen GmbH, ein Symposion zum Thema „Künstliche Ernährung und Ethik“ durch. Der vorliegende Band bietet eine Zusammenfassung der Vorträge und Falldiskussionen, ergänzt durch aktuelle Leitlinienempfehlungen der DGEM.
Behandelt werden ethische Fragen und rechtliche Aspekte zur künstlichen Ernährung (PEG-Sonde) bei Intensivpatienten, onkologischen Patientinnen sowie dem Einsatz von PEG-Sonden bei geriatrischen Patienten. Grundsätzlich sind die Beiträge informativ und bringen auch ganz viel Richtiges und Wichtiges zum Ausdruck (auch wenn Begrifflichkeiten wie „Füttern“ oder „Nahrungsverweigerung“ in ernsthaft reflektieren Beiträgen eigentlich nicht auftauchen dürften).
Vielleicht lässt sich der inhaltliche Duktus am ehesten mit einem Ausschnitt aus der Präambel der Leitlinien der DGEM von 2003 aufzeigen: „Die Ernährung ist ein Grundbedürfnis des Menschen und integraler Bestandteil einer angemessenen medizinischen Behandlung. Wenn ein Patient nicht ausreichend essen kann oder eine Fehlernährung vorliegt, müssen ernährungstherapeutische Maßnahmen ergriffen werden.“ Eine sehr technokratisch-paternalistische Sichtweise, der auch etliche Beiträge folgen. Das heißt, die Beiträge selbst sind durchwegs informativ, in vielen Teilen auch kritisch, aber sie blenden (mit wenigen Ausnahmen) alle kulturellen und anthropologischen Aspekte radikal aus. Das zeigt sich besonders deutlich auch in den Kasuistiken.
Ernährung wird wie eine normale medizinische Maßnahme diskutiert, existenzielle leibliche Befindlichkeiten in Bezug auf Essen und Trinken, die weit über eine bloße ausgewogene Nahrungszufuhr hinausgehen, spielen offensichtlich keine Rolle. Ein weiteres (sehr entscheidendes) Manko ist der völlige Verzicht auf die pflegerische Perspektive, obgleich die Unterstützung beim Essen und Trinken ebenso wie die Durchführung der künstlichen Ernährung praktisch ausschließlich in deren Händen liegt. Insofern ist es schon sehr verwunderlich, dass deren Expertise keinerlei Eingang in die Ausführungen findet.
Dieses Buch ist einerseits durchaus empfehlenswert, weil viele ethisch-rechtliche Aspekte in hinreichender Weise besprochen werden. Andererseits fehlt die anthropologische Dimension (außer in dem Beitrag von Gastmans) nahezu völlig – womit der Thematik insbesondere bezogen auf alte Menschen eine entscheidende Perspektive fehlt.