
Schloffer, Helga et al.
Stundenkonzepte für Menschen mit Demenz in der Pflege
Springer-Verlag, Berlin 2017, 2. Aufl., 199 S., 29,99 €, ISBN-13: 978-3-662-52760-3
Stundenkonzepte für Menschen mit Demenz in der Pflege
Springer-Verlag, Berlin 2017, 2. Aufl., 199 S., 29,99 €, ISBN-13: 978-3-662-52760-3
„Wertorientierte Gruppenarbeit – Validierende Aktivierung ©“ lautet der Untertitel der vorliegenden Publikation. Als Autorinnen werden angeführt:
• Dr. Helga Schloffer, Klinische und Gesundheitspsychologin – Schwerpunkte Demenz, Aktivierung und Gedächtnistraining, Fachbuchautorin (Graz)
• Ellen Prang, Dipl.-Gerontologin und Dipl.-Pädagogin, Fachbuchautorin (Garbsen, Niedersachsen)
• Irene Gabriel, Validationslehrerin und Seniorentanzleiterin (Salzburg).
• Dr. Helga Schloffer, Klinische und Gesundheitspsychologin – Schwerpunkte Demenz, Aktivierung und Gedächtnistraining, Fachbuchautorin (Graz)
• Ellen Prang, Dipl.-Gerontologin und Dipl.-Pädagogin, Fachbuchautorin (Garbsen, Niedersachsen)
• Irene Gabriel, Validationslehrerin und Seniorentanzleiterin (Salzburg).
Die Veröffentlichung besteht aus drei Abschnitten mit insgesamt fünf Kapiteln.
In Abschnitt I (Theorie, Seiten 3–27) werden zu Beginn in einem Kapitel die Grundlagen der Demenz (Epidemiologie, Risikofaktoren, Demenzarten und Stadien der Erkrankung), die Validation mit dem Schwerpunkt Gruppenarbeit (u. a. die drei Phasen mit den entsprechenden Kommunikationsformen), die so genannte „Erinnerungsarbeit“ (u. a. das Langzeitgedächtnis mit dem prozeduralen und dem deklarativen Gedächtnis und multisensorische Stimulierung) und die „ganzheitliche ressourcenorientierte Aktivierung“ („Der Mensch ist mehr als sein Verstand“) in kurzer Form erläutert. Im zweiten Kapitel (Validierende Aktivierung – eine Zusammenführung) explizieren die Autorinnen die Gemeinsamkeiten und kleineren Unterschiede zwischen einer „Validationsgruppe“ und einer so genannten „validierenden Aktivierungsgruppe“, anschließend werden die Bausteine einer „validierenden Aktivierung“ beschrieben: „Aufwecker/Einstimmung“, „biografisches Gespräch“, „Stärkung der Ressourcen“ und „Lebenswerte“. Als Ziele dieser Gruppenbeschäftigung werden u. a. die Befriedigung sozialer und emotionaler Bedürfnisse und die „Stärkung des Person-Seins“ angeführt.
Abschnitt II (Die Methode, Seiten 31–63) beinhaltet die Darstellung der Vorgehensweise der Gruppenaktivität: u. a. Entschleunigung, keine Reizüberforderung, die begleitenden Utensilien zur sensorischen Stimulierung, Zusammensetzung der Gruppe und Teilnehmerzahl. Es folgen Ausführungen über Ort, Sitzordnung und Umfeld der Gruppenmaßnahme und Erläuterungen über den Ablauf einer „Aktivierungseinheit“ (u. a. Einstieg, Präsentation von Gegenständen, biografische Fragen und „Selbstreflexion“).
Abschnitt III (Stundenkonzepte – Vom Wissen zum Handeln, Seiten 67-192) enthält die Inhalte und die Darstellungsform von insgesamt 26 „Aktivierungseinheiten“ oder „Stundenbildern“. Folgende Themen werden in den Gruppen erarbeitet: Familie und Kinder, Schule und Ausbildung, Partnerschaft, typisch Frau – typisch Mann, Arbeit, Arbeit: Nähen, Stricken, Häkeln, Arbeit und Haushalt, Essen/Ernährung, Tischkultur, Natur: Blumen, Natur: Früchte, Natur: Gemüse, Natur: Bäume/Wald, Glaube und Religion, Freizeit: Musik/Tanz, Vereine/Theater, Freizeit: Steckenpferde, Freizeit: Verreisen, Mein erstes Fahrrad, Freizeit: Wandern/Ausflüge, Freizeit: Feste/Brauchtum, Feste: Ostern, Sport und Bewegung, Feste: Weihnachten und Adventszeit, Wohlbefinden: Körperkultur, Wohlbefinden: Kleidung, Tiere. Zu jedem Gruppenangebot wird ein detailliertes Strukturgefüge angeführt, bestehend aus den erforderlichen Utensilien (zum Thema „Familie und Kinder“ z. B. Puppen, Kinderkleidung, Spielzeug, Murmeln etc.) ein Ablaufplan für die Gruppenstunde in Tabellenform mit den Rubriken „Anfangsphase“ (persönliche Begrüßung, „Aufwecker“: ein Kinderlied), „Erinnerungsanker“ (Puppe mit Kinderkleid oder Teddy), „biografische Fragen“ („Eigene Kinder, Nichten, Neffen?“), „Förderung der Ressourcen“ (Namen finden für beide Geschlechter u. a.), „Werte- und Gefühlsebene“ (Erörterung: „Ist eine funktionierende Familie etwas Wichtiges?“) und „Schlussphase“ (u. a. gemeinsames Aufräumen, ein Kindergebet und persönliche Verabschiedung). Es folgen Ergänzungen wie „Weitere Fragen zur Kindheit“, Liedervorschläge und „weitere Ideen zum Stundenbild „Spielzeug“.
Der Serviceteil (Seiten 193-199) besteht aus „Kimspielen für Menschen mit Demenz“, weiterführender Literatur, Arbeitshilfen und einem Stichwortverzeichnis.
Folgende Punkte sind bei einer kritischen Würdigung dieses Ansatzes anzuführen:
• Validation als auch „Validierende Aktivierung“ sind bloße Ideenkonzepte ohne hirnphysiologische bzw. hirnpathologische Korrelate. Dementsprechend konnten auch bisher keine Wirksamkeitsnachweise im Umgang mit Demenzkranken nachgewiesen werden. Im Gegenteil, gezieltes „Validieren“ ist geradezu kontraproduktiv, denn spontan intuitives Agieren besonders bei Realitätsverlusten und Realitätsverzerrungen lässt dieses Modell konzeptgemäß nicht zu.
• Die Inhalte und auch die Vorgehensweise sind bezogen auf die Kompetenzen und auch die Bedarfe der Demenzkranken nicht passgenau, denn sie entfalten ein Wirkungsgefüge, das zugleich aus Infantilisierung und Überforderung besteht. Die angeführten „Stundenkonzepte“ erinnern an ein diffuses Gefüge, das sowohl Elemente des Gehirnjoggings als auch eines Kindergartenspielkreises enthält.
• Der Anspruch der Autorinnen, durch diese Aktivierungsmaßnahmen „Lebensqualität und Wohlbefinden“ bei den Demenzkranken zu steigern, muss auf der Grundlage der vorliegenden Ausführungen strikt in Frage gestellt werden. Es werden bei diesen Aktivierungsmaßnahmen einfach zu viele Fragen gestellt, die bei Demenzkranken zu Empfindungen ständiger Überforderung führen. „Fördern durch Fordern“ als Strategie gilt für die Rehabilitation von Schlaganfallpatienten, nicht jedoch für Demenzkranke im fortgeschrittenen Stadium.
Für Demenzkranke im fortgeschrittenen Stadium besteht die ideale Lebenswelt aus ständigen Wiederholungen in allen Handlungsfeldern der Pflege und Beschäftigung. Eine Alltagsbegleiterin berichtete auf einer Fortbildung, dass sie seit sechs Jahren tagtäglich immer dasselbe Angebot (Lieder und Beschäftigung) anbietet, das stets mit Begeisterung und Freude von den Demenzkranken angenommen wird. Diese Erfahrungen sollten weiter vertieft und verbreitet werden.
Es bleibt das betrübliche Fazit zu ziehen, dass die vorliegende Veröffentlichung keinerlei neue Impulse und Anregungen für die Beschäftigung mit Demenzkranken enthält.
Eine Rezension von Sven Lind