
Dibelius, Olivia et al (Hrsg.)
Lebenswelten von Menschen mit Migrationserfahrung und Demenz
Hogrefe (vorm. Verlag Hans Huber), Göttingen, 2015, 221 S.,24,95 €, ISBN 978-3-456-85546-2
Lebenswelten von Menschen mit Migrationserfahrung und Demenz
Hogrefe (vorm. Verlag Hans Huber), Göttingen, 2015, 221 S.,24,95 €, ISBN 978-3-456-85546-2
Demenziell erkrankte Migranten der ersten Generation (Gastarbeiter, die vor mehreren Jahrzehnten nach Deutschland bzw. Westberlin kamen) stehen im Focus dieser Veröffentlichung. Diese Personengruppe ist dem Dreifachrisiko Alter, Demenz und Migration mit den damit verbundenen Belastungen ausgesetzt. Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurden speziell die Lebens- und Problemlagen türkischer Migranten mit einer demenziellen Erkrankung in Berlin bezüglich verschiedener Aspekte der Versorgung und Beratung untersucht.
Herausgeber und Autoren der Publikation sind Olivia Dibelius, Erika Feldhaus-Plumin, Gudrun Piechotta-Henze, Meggi Khan-Zvornicanin, Türkan Yilmaz, Deniz Pamuk, Ümran Sema Seven, Inka Valeska Braun, Elke Kalbe, Josef Kessler, Yve Weidlich und Dilek Yalniz.
Das Buch ist in 10 Kapitel untergliedert.
• Kapitel 1( Das Fremde verstehen? – Eine theoretische Rahmung: Seite 19-33) thematisiert den begrifflichen Rahmen des Projektes: Lebenswelt und Transkulturalität. Hierbei wird der theoretische Hintergrund und auch das Anliegen des Projektes unter dem Gesichtspunkt Demenz und Migration konzeptionell erläutert.
• Kapitel 1( Das Fremde verstehen? – Eine theoretische Rahmung: Seite 19-33) thematisiert den begrifflichen Rahmen des Projektes: Lebenswelt und Transkulturalität. Hierbei wird der theoretische Hintergrund und auch das Anliegen des Projektes unter dem Gesichtspunkt Demenz und Migration konzeptionell erläutert.
• Kapitel 2 (Versorgungsstrukturen für Menschen mit Demenz in der Türkei: Seite 35-49) beinhaltet die gegenwärtige Bedeutung der Erkrankung Demenz als einer Versorgungsaufgabe in der Türkei. Es wird diesbezüglich der Stellenwert der erweiterten Familie in der Versorgung alter und gebrechlicher Angehöriger hervorgehoben. Die Versorgung demenzkranker und pflegebedürftiger alter Menschen durch ambulante und stationäre Einrichtungen der Altenhilfe ist gegenwärtig in der Türkei noch nicht weit verbreitet. Familienpflege geht hier noch gemäß dem Modernisierungsgrad noch vor professioneller Pflege.
• In Kapitel 3 (Demenzdiagnostik bei Menschen türkischer Herkunft – TRAKULA: Seite 51-87) wird die Thematik Demenzdiagnostik bei türkischen Migranten bearbeitet. So wird z. B. das „Transkulturelle Assessment“ (TRAKULA) hinsichtlich seiner Brauchbarkeit für diese Klientelgruppe diskutiert.
• Kapitel 4 (Überblick über das Forschungsvorgehen: Seite 89-102) besteht aus der Darstellung der verschiedenen Aspekte des Forschungsvorhabens wie Stand der Forschung, Projektentwicklung, Forschungsdesign, Dokumentenanalyse, Interviews mit Experten und Angehörigen, Einzelfallanalysen und teilnehmende Beobachtung bei Beratungsgesprächen mit Angehörigen.
• In Kapitel 5 (Ergebnisse der Dokumentenanalyse nach einer Internet-Recherche: Seite 103-114) stellen die Autoren die Resultate ihrer Recherche in verschiedenen deutschen und türkischen Medien (Radio- und Fernsehsender) einschließlich dem Internet bezüglich der Themenstellung Demenz unter dem Gesichtspunkt der Information über die Erkrankung und Zugang zu Formen Unterstützung durch Versorgungseinrichtungen vor.
• Kapitel 6 (Expertinnen über die Lebenswelten demenziell erkrankter Migrantinnen und Migranten: Seite 115-134) erläutert die Ergebnisse der Befragung von 12 Frauen, die in verschiedenen Berufsfeldern (u. a. Gesundheitswesen und Unterricht) tätig sind, bezüglich ihrer Erfahrungen, wie Migranten mit der Demenz und den einschlägigen Versorgungsstrukturen umzugehen wissen. Wiederholt wird von Hürden und Hindernissen beim Zugang zu den verschiedenen Dienstanbietern seitens der pflegenden Angehörigen berichtet.
• In Kapitel 7 („Kontoauszüge im Kühlschrank“. Belastungen und Ressourcen von Angehörigen: Seite 135-164) wird anhand von Fallbeispielen das Spektrum an Belastungen und Lösungsstrategien bei Angehörigen demenzkranker Migranten aufgezeigt. Insgesamt wurden 12 Angehörige (sechs Söhne, fünf Töchter und eine Schwiegertochter) von Demenzkranken, die in Wohngemeinschaften für Demenzkranke und im häuslichen Bereich einschließlich Tagespflege leben, interviewt. Dabei wurden auch die Problemfelder „Finanzen“, „Behörden“ und die innerfamiliäre Unterstützung abgefragt.
• In Kapitel 8 (Häusliche-Pflege-Skala: Seite 165-166) wird knapp auf das im Projekt verwendete Erhebungsinstrument „Häusliche-Pflege-Skala“ (HPS) von Elmar Gräßel eingegangen, für das auch eine Version in türkischer Sprache vorliegt. Das HPS ist nicht dokumentiert, sondern nur verlinkt.
• Kapitel 9 (Einzelfallanalysen – vertiefte Auseinandersetzung mit dem Erleben Angehöriger: Seite 167-198) besteht aus der detaillierten Analysen von zwei Angehörigeninterviews (zwei Töchter) und einem Experteninterview (Leiterin einer Tagespflegeeinrichtung mit Migrationshintergrund). Empfohlen werden u. a. eine stärkere Beratung und eine bessere Einbindung der Angehörigen in das Gefüge der Versorgungsstrukturen für Demenzkranke. Am Ende des Kapitels werden die Ergebnisse von drei teilnehmenden Beobachtungen von Beratungsgesprächen mit Angehörigen dargestellt.
• In Kapitel 10 (Kritische Konklusion: Seite 199-212) werden ein Fazit aus dem Projekt gezogen und hierauf aufbauend im Anschluss eine Reihe von Handlungsempfehlungen für die Praxis, Entscheidungsträger und die Forschung gegeben. Die Autoren fordern u. a. für demenzkranke Migranten und ihre Angehörige eine Verbesserung der Zugangsweise und einen Abbau der Zugangshürden zu den Diensten. Des Weiteren sehen sie Bedarf an besseren Präventions- und Gesundheitsförderungsprogrammen, Ausbau der Entlastungsstrukturen für pflegende Angehörige, Entwicklung spezialisierter Beratungs-, Betreuungs- und Therapieangebote. Auch sollten die bestehenden Einrichtungen mittels Einstellung von Personal mit Migrationshintergrund auf eine „transkulturelle“ Öffnung dieser Institutionen hinwirken.
Die Bewertung der folgenden Arbeit ist zwiespältig. Es werden zwar einige Fakten und Belege über den Umgang mit der Demenz als Betreuungs- und Pflegeproblem für Angehörige mit Migrationshintergrund (Türkei) angeführt, doch es fehlen weiterführende Wissensstände aus den Bereichen Demenzversorgung und Migrationsforschung, um das vorliegende Datenmaterial einschließlich der Einzelfalldarstellungen angemessen interpretieren und einordnen zu können.
Eine Rezension von Sven Lind