Thiemes Pflege (Schewior-Popp, Susanne et al. (Hrsg.))Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2012, 12., vollst. überarb. und erw. Aufl.,Rezension von: Paul-Werner Schreiner |
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Thiemes Pflege ist in neuer Auflage erschienen. Schon beim ersten Augenschein wirkte das zwar immer noch gewaltige Buch nicht mehr ganz so erschlagend wie die 11. Auflage. Die Gewichtsüberprüfung bestätigte dies: wog die 11. Auflage (Großes Format) 3,3 kg, so kommt die 12. "nur" auf 2,7 kg. Nun fällt beim Durchsehen der bibliografischen Angaben auf, dass das Buch im Umfang um 200 Seiten reduziert wurde, allerdings enthält es 10 Abbildungen mehr. Damit stellte sich die Frage, ob die neue Auflage tatsächlich inhaltlich etwas erleichtert wurde. Dies ist wohl nicht der Fall. Bei genauem Hinsehen ist die Auflage auf etwas dünnerem Papier gedruckt. Zudem wurde der Zeilenabstand bei gleicher Typengröße etwas verringert. Damit darunter die Lesbarkeit nicht verschlechtert wird, wurde ist der Text jetzt in drei statt in zwei Spalten angeordnet.
Die Gliederung wurde nicht verändert (siehe Rezension der 11. Auflage).
- Der erste Teil ist den Grundlagen des Pflegeberufs gewidmet. Am Ende dieses Abschnittes wurde dem aktuellen Diskussionsstand folgend neu ein Kapitel zur Patientenedukation eingefügt.
- Der zweite Teil ist wie gehabt den Aktivitäten des täglichen Lebens gewidmet - überschrieben mit "Pflegesituationen erkennen, erfassen und bewerten, Pflegemaßnahmen auswählen und erkennen". Unter der ATL "Wach sein und schlafen" finden sich nach wie vor die vollkommen veralteten Abbildungen zum Beziehen eines Bettes (Abb. 10.9). Dieser vermutlich aus den ersten Auflagen der "Juchli" überkommene Unfug mutet inzwischen regelrecht anachronistisch an. Der Pädagoge und der Apotheker unter den Autoren dieses Kapitels sind daran vermutlich unschuldig - bei den anderen Autoren, allesamt Lehrer für Pflegeberufe, stellt sich der geneigte Betrachter schon die Frage, wann diese das letzte Mal ein Bett bezogen haben. Der Rezensent erinnert sich gerne an die Bettenprüfung am Ende seines ersten Ausbildungshalbjahres -diese hatte allerdings schon im Jahre 1974 den Charakter einer Kabarettveranstaltung. Unter der ATL "Sich bewegen" ist leider nach wie vor anzumerken, dass den für diesen Bereich relevanten Expertenstandards (Sturz und Dekubitus) nicht der gebührende Stellenwert eingeräumt wird.
- Der dritte Abschnitt ist der Mitwirkung bei der medizinischen Diagnostik und Therapie gewidmet. Im Kapitel über das Wundmanagement vermisst der Leser wiederum einen ausdrücklichen Verweis auf den einschlägigen Expertenstandard.
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Gegenstand des vierten Teils ist die Gesundheits- und Krankenpflege bei bestimmten
Patientengruppen. Im vorletzten Kapitel (Perioperative Pflege) wird auch der
Anästhesie gestreift - allerdings in allzu verkürzter Weise. Es wäre
besser, wenn dieses Kapitel sich auf die prä- und postoperative Phase beschränken
würde. Verkürzte Ausführungen nützen einem Auszubildenden
nicht viel - und wenn man nach absolvierter Ausbildung in der Anästhesie
arbeitet, sind die Informationen bei Weitem nicht ausreichend. Das Gleiche gilt
für die Ausführungen zum Operationssaal und zur Tätigkeit im
OP-Funktionsdienst. Den Unterschied zwischen hygienischer und chirurgischer
Händedesinfektion könnte man im Kapitel "Hygiene" abhandeln.
Die Abbildung 47.9 sollte unbedingt entfallen - hier wird ein hygienisch unzulässiges
(Nicht-)Tragen der Gesichtsmaske gezeigt.
Das Kapitel über die Intensivpflege ist nach wie vor auf die Atmung/Beatmung und die Pflege der Atemwege fokussiert. Auch wenn dieser Aspekt einen nicht unwesentlichen Teil der Arbeit in der Intensivstation, ist es dennoch eine unglückliche Verkürzung. Dies ist vor allem unter dem Gesichtspunkt bedenkenswert, dass Auszubildende bei ihrem Einsatz in der Intensivstation genau mit diesem Aspekt kaum konfrontiert werden. Wenn Ausführungen zur Intensivpflege, dann wäre eine Darstellung der pflegerischen Tätigkeit unter durch die Schwere der Erkrankung der und Instabilität des Zustandes des Patienten erschwerten Bedingungen sinnvoll - dies erleben nämlich die Auszubildenden.
Unbesehen der Frage, ob solche alle Aspekte umfassenden kiloschweren Lehrbücher für eine sich dauernd weiter differenzierende Disziplin sinn voll sind, bietet auch die 12. Auflage der "Juchli" einen sinnvollen Strukturrahmen für die Ausbildung in den Gesundheits- und Krankenpflege, wie sie derzeit in Deutschland konzipiert ist.