Leiden schafft Pflege (Rezension)

Leiden schafft Pflege. Sr. Liliane Juchli. Ein Leben für die Würde des Menschen. Ein Film von Marianne Pletscher.

 

Schlütersche Verlagsanstalt. Hannover 2013, Laufzeit ca. 30 Minuten plus Bonusmaterial, schweizerdeutsch mit deutschen Untertiteln, 22,95 €, ISBN 978-3-89993-242-3

Rezension von: Dr. Hubert Kolling

Gelegentlich wird sie als die „Florence Nightingale“ (1820-1910) von heute bezeichnet. In jedem Fall ist sie weltweit wohl eine der bekanntesten Pflegepersonen der Gegenwart, die zu Recht mit zahlreichen Ehrungen ausgezeichnet wurde, darunter 1997 mit der Ehrendoktorwürde der Universität Freiburg (Schweiz) für ihren „Dienst am Menschen“ und 2010 mit dem „Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich“ (der höchsten staatlichen Ehrung) sowie dem „Lazarus Ehrenpreis“ (Österreich) für ihr Lebenswerk. Die Rede ist von der Schweizer Krankenschwester und Ordensfrau der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz (den sogenannten Ingenbohler Schwestern) Schwester Liliane Juchli, die mit dem von ihr begründeten und immer wieder erweiterten „Pflege-Lehrbuch“ – ein Standardwerk, dessen zahlreichen Auflagen mittlerweile eine Million Exemplare erreicht haben und unter den Pflegenden im Alltag kurz als „Die Juchli“ bezeichnet wird – die Entwicklung, Professionalisierung und Lehre der Pflege im gesamten deutschsprachigen Raum und weit darüber hinaus jahrzehntelang tiefgreifend geprägt und nachhaltig beeinflusst hat und dies noch immer tut.


Anlässlich des anstehenden achtzigsten Geburtstags von Schwester Juchli am 19. Oktober 2013 produzierte die Schweizer Filmemacherin Marianne Pletscher den Film „Leiden schafft Pflege“, in dessen Mittelpunkt die Jubilarin mit ihrer Persönlichkeit, ihrem Elan und ihrer Fähigkeit, Hoffnung zu geben, steht. Die Autorin (vgl. www.mariannepletscher.ch), in deren Händen gleichermaßen Drehbuch, Regie und Produktion des Filmes lagen, dreht seit rund zwanzig Jahren fast ausschließlich Dokumentarfilme, zu denen unter anderem „Behütet ins gemeinsame Boot – Theaterferien für Demenzbetroffene“ (2012), „Dein Schmerz ist auch mein Schmerz – Wenn Angehörige sich das Leben nehmen“ (2011), „Glück hat viele Gesichter – Geschichten von Demenzkranken und ihren Betreuern“ (2010), „Die Gesundheitskrise – Macht mehr Medizin gesünder?“ (2005), „Antonia lässt los – Eine filmische Sterbebegleitung“ (2005) und „Besser Sterben – Was man alles darf, wenn man nichts mehr kann“ (2004) gehören. Daneben veröffentlichte sie auch mehrere Bücher, darunter „Weggehen ist nicht so einfach. Gewalt gegen Frauen in der Schweiz“ (Zürich 1977, 2. erweiterte Auflage 1985) sowie (mit anderen AutorInnen) „Basta. Fremdarbeiter in den 80er Jahren. Ein Lesebuch“ (Zürich 1980) und „Wer hat Angst vorm fremden Mann? Notizen zur schweizerischen Asylpolitik“ (Zürich 1981).


Nach Ansicht von Marianne Pletscher hätte der vorliegende Film, der anlässlich des „Fachsymposiums Gesundheit“ am 23./24. Januar 2013 in St. Gallen seine Premiere feierte, „eigentlich schon längst gemacht werden sollen“, weil Schwester Liliane „schon lange vor diesem Geburtstag zum Mythos und zum Idol von Generationen von Pflegefachfrauen und -männern“ geworden ist.


In der Tat hat sie mit ihrem vielfältigen Wirken wie kaum jemand anderes in den letzten 50 Jahren den Pflegeberuf und seine Entwicklung beeinflusst. Von daher beginnt das filmische Portrait auch treffend mit den Worten: „Sie ist eine Klosterfrau, aber keine wie alle anderen…“. Selbstredend, dass der Terminkalender von Schwester Juchli auch heute noch dem „eines Generaldirektors“ gleicht, unter anderem für die Teilnahme an Tagungen, Kongressen, Seminaren, Schwesternkurse und Festreden.


„Leiden schafft Pflege“ zeichnet in knapp 30 Minuten sehr ansprechend und gefühlvoll das Leben und Werk der bekannten Ordensschwester nach und begleitet sie an viele Schauplätze ihres Wirkens. Dabei kommt die Jubilarin immer wieder selbst zu Wort, wobei sie auch tiefe Einblicke in sehr persönliche Dinge ihres Lebens gewährt. So berichtet Schwester Juchli erstaunlich offen auch von den schweren Zeiten in ihrem Leben, etwa als sie unter dem Burnout-Syndrom und schweren Depressionen litt. Nicht zuletzt spricht sie in diesem Zusammenhang auch von ihrem Lieblingssymbol, dem Leuchtturm: „Er ist da für die Menschen, nicht für sich selbst. Er will Orientierung geben.“ Und mit dem Hinweis, angesichts der Gefahr des Burnouts gut auf sich selbst zu achten, fügt sie hinzu: „Ausgebrannte Pflegende geben keine Wärme mehr. Wem nutzt ein Leuchtturm, wenn die Lampe nicht mehr brennt?“.


Ergänzt wird der in schweizerdeutsch produzierte Film, für den deutsche, englische und französische Untertitel wählbar sind, durch sogenanntes „Bonusmaterial“, bei dem es sich im Einzelnen um folgende Beiträge handelt:
-    Sr. Liliane Luchli im Gespräch (21 Minuten)
-    Ausschnitt aus dem Film „Antonia lässt los“ (Liliane Luchli im Gespräch mit der schwerkranken Antonia) (4 Minuten)
-    Vortrag von Sr. Liliane Juchli „Erlebte Pflegegeschichte, eine Spurensuche“ (54 Minuten).
Insgesamt betrachtet ist der Film „Leiden schafft Pflege“ eine gelungene Hommage an die Jubilarin. Mit ihm gibt es nunmehr – neben den Büchern von Gabriele S. Herberge „Liliane Juchli. Ein Zeitdokument der Pflege“ (Dietzenbach 1998) und Trudi von Fellenberg-Bitzi „Liliane Juchli – ein Leben für die Pflege“ (Stuttgart 2013) – auch ein filmisches Denkmal über Schwester Liliane Juchli. Da es allemal lohnend ist, sich den Film anzusehen, sollte er in keiner Ausbildungseinrichtung der Gesundheits- und Krankenpflege fehlen.