Die Hub. Geschichte und Gegenwart einer einzigartigen Einrichtung (Rezension)

Martin Walter (Hrsg.): Die Hub. Geschichte und Gegenwart einer einzigartigen Einrichtung (Sonderveröffentlichung des Kreisarchivs Rastatt, Band 10)

 

Casimir Katz Verlag. Gernsbach 2012, 223 Seiten, fester Einband, 26,80 Euro, ISBN 978-3-938047-63-7

Rezension von: Dr. Hubert Kolling

Es zählt sicherlich zu den eindrucksvollsten und schönsten Einrichtungen seiner Art in Deutschland – das Kreispflegeheim „Hub“ inmitten der idyllischen Landschaft von Ottersweier, einer kleinen Gemeinde in Baden-Württemberg. Das sieben Hektar große „Pflegedorf“ für psychisch Kranke, geistig und körperlich Behinderte, chronisch Suchtkranke und pflegebedürftige Menschen ermöglicht seinen Bewohnern heute die größtmögliche Teilhabe am Leben. Die Einrichtung, die auf eine über fünfhundertjährige Geschichte zurückblicken kann, ist dabei zugleich das Herzstück des Gesundheitswesens im Landkreis Raststatt und des Klinikums Mittelbaden, in dem 2004 die Kliniken und Pflegeeinrichtungen des Landkreises Raststatt und der Stadt Baden-Baden unter weiterhin öffentlich-rechtlicher Trägerschaft zusammengeführt wurden. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich die Hub vom Heilbad über die (1874 eröffnete) „Kreispflegeanstalt“ zu einem modernen, zukunftsorientierten Pflegezentrum, das es sich zur Aufgabe macht, den Patienten und dessen individuellen Bedürfnisse ganzheitlich zu erfassen, um ihm möglichst viel Wohlbefinden und Lebensqualität zu vermitteln.

Das vorliegende, von Martin Walter herausgegebene Buch „Die Hub“ vereint 31 Beiträge von 20 kompetenten Autorinnen und Autoren, die sich farbig und kompetent in einem breiten Spektrum mit sehr unterschiedlichen Facetten und Aspekten der Geschichte und Gegenwart dieser einzigartigen Einrichtung auseinandersetzen. Der Herausgeber (Jg. 1966) studierte Archivwissenschaften in Marburg und Ludwigsburg, bevor er von 1992 bis 1994 als archivalischer Mitarbeiter am Stadtgeschichtlichen Institut Karlsruhe wirkte. Seit 1994 Leiter des Kreisarchivs Raststatt veröffentlichte er zahlreiche Publikationen zur regionalen und zur badischen Geschichte, darunter auch „Im Donnerwetter der Motoren. Karl Kappler – die Geschichte des erfolgreichsten Rennfahrers der 1920er Jahre“ (2004). Zu den von ihm (mit Wolfgang Froese) herausgegebenen Büchern gehören „Der Türkenlouis. Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden und seine Zeit“ (2005), „Schloss Eberstein. Menschen, Geschichte, Architektur“ (2009) und „Schloss Rastatt – Schloss Favorite. Menschen, Geschichte, Architektur“ (2011).

Zur Bedeutung und Intention seiner jüngsten Veröffentlichung, die als Band 10 der „Sonderveröffentlichungen des Kreisarchivs Rastatt“ erscheint, schreibt der Herausgeber in seiner Einführung unter anderem: „Unser Buch zur Hub ist nicht nur ein Geschichtsbuch, es ist tatsächlich sehr viel mehr geworden. Es ist ein Buch voller Geschichten und ein ‚Lesebuch‘, dessen Inhalte bis in die Gegenwart reichen“ (S. 9).

Der reich bebilderte Band gliedert sich in fünf Abschnitte. Die vier Beiträge des ersten Kapitels beschäftigen sich mit der Geschichte des Bades Hub (von 1475 bis 1812). Ihre Ergänzung finden sie in den fünf Beiträgen des zweiten Kapitels, in denen es schwerpunktmäßig um die „Baugeschichte“ geht. Da das Buch anlässlich des 200. Jubiläums des sogenannten Weinbrennerhauses – einem in den Jahren 1810 bis 1820 errichteten großen Hotelkomplexes für das Kur- und Wellnessbad Hub, das heute ein Palliativcentrum beherbergt – erscheint, ist dabei dem großartigen Architekten Friedrich Weinbrenner (1766-1826) ein eigener Beitrag gewidmet.

Mit der Übernahme durch die Kreise Baden und Karlsruhe 1873 und der Inbetriebnahme der „Kreispflegeanstalt“ 1874 erhielt die „Hub“ eine ganz neue Art der Nutzung. In den neun Beiträgen des dritten Kapitels geht es daher um die Geschichte des Kreispflegeheims, wobei nicht nur die Geschichte des Pflegedienstes und der ärztlichen Direktoren dargestellt werden, sondern auch – durch Adalbert Metzinger „Der Weg in den Tod: Von der Hub nach Grafeneck“ (S. 109-122) – die Ermordung vieler Bewohner im Rahmen der menschenverachtenden „Euthanasie“ während der NS-Zeit.

Für die Leserschaft der „Geschichte der Pflege“ dürfte insbesondere der Beitrag von Wolfgang Marx „Der Pflegedienst seit 1874“ (S. 94-104) von Interesse sein, der sich auf zeitgenössische Literatur, einige Archivalien und Gespräche mit Zeitzeugen stützt. Nach den Ausführungen des Autors, Jahrgang 1957, Diplom-Pflegewirt (FH), M.A. und Pflegedienstleiter im Kreispflegeheim Hub, war der Führungsstil des seinerzeitigen Anstaltsdirektors Dr. Borell derart „kasernenstilartig“ ausgeprägt, dass es im Januar 1882 eine Massenkündigung des weiblichen Personals gab, wobei nur „die Oberwärterin und zwei Wärterinnen übrig blieben“. Demgegenüber sei das Ansehen der Einrichtung um die Jahrhundertwende unter Dr. Eschle gestiegen. Dessen Unterrichtskurse für das Pflegepersonal waren „sehr beliebt“ und wurden auch „von Auswärtigen besucht, z.B. von den Schwestern des Klosters Neusatzeck“. Der Erste Weltkrieg habe auch bei den Pflegedienstmitarbeitern „tiefe Spuren“ hinterlassen. Die als Ersatz für die zum Kriegsdienst eingezogenen Pfleger eingestellten „Kriegsbeschädigten“ hätten sich „nicht bewährt“. Zu Beginn der 1930er Jahre bestand das Pflegepersonal aus Oberwärtern und Wärtern, die sehr unterschiedliche, meist handwerkliche Ausbildungen hatten: „Es gab Oberwärter und Werkführer, die im ersten Beruf Metzger, Gärtner, Bäcker, Schneider oder Maler waren. Und es gab Wärter, die zuvor als Rebwart, Mesner, Chauffeur, Metzger, Gärtner, Baumwart, Maurer oder Schuhmacher gearbeitet haben. Beim weiblichen Wartpersonal gab es eine Oberin, eine Oberwärterin sowie eine Oberwärterin und Werkführerin mit dem Tätigkeitsbereich der Weißzeugbeschließerin und Näherin“ (S. 96). Zwar sei Anfang der 1950er Jahre mit professioneller Weiterbildung begonnen worden, eine „ernsthafte Qualifizierungsmaßnahme“ für das angestellte Pflegepersonal, für das es bis Mitte der 1970er Jahre „eine Residenzpflicht“ auf den Stationen gab, sei aber erst Mitte der 1990er Jahre durchgeführt worden.

Während das vierte Kapitel elf Beiträge zu aktuellen Themen aus der Arbeit des Kreispflegeheims vereint, beschäftigen sich schließlich die zwei Beiträge des fünften Kapitels mit den Stiftungen und dem Träger der Hub.

„Die Hub“ ist kein völlig unbeschriebenes Blatt, da es bereits – an verschiedenen Stellen zerstreut – ein paar kleinere Beiträge zu einzelnen Aspekten dieser sozialen Einrichtung gibt. Eine umfassende und zugleich solide Darstellung wie die vorliegende, die sich in einem breiten Spektrum mit den unterschiedlichsten Themen aus der Geschichte und Gegenwart des Kreispflegeheims beschäftigt, suchte man unterdessen vergebens. Insofern kann man den Herausgeber beziehungsweise die Einrichtung zu dem Buch nur beglückwünschen.