Aktuelle Pflegethemen lehren. Wissenschaftliche Praxis in der Pflegeausbildung. (Rezension)

Linseisen, Elisabeth & Uzarewicz, Charlotte (Hrsg.): Aktuelle Pflegethemen lehren. Wissenschaftliche Praxis in der Pflegeausbildung.

 

Dimensionen Sozialer Arbeit und der Pflege Band 14, 2013. VIII/162 S., kt. € 22,90, ISBN 978-3-8282-0575-8, Stuttgart: Lucius & Lucius (2013)

Rezension von: Dr. Renate Schwarz-Govaers

Das 161-seitige Buch ist als Sammelband das Resultat einer Fortbildungsreihe, die seit 2007 in Kooperation mit dem Institut für Fort- und Weiterbildung der Katholischen Stiftungsfachhochschule München und dem Katholischen Pflegeverband u.a. angeboten wird. Als Zielgruppe werden vorwiegend Lehrpersonen in der Pflege angesprochen, denen das Buch als Nachschlagewerk nach besuchten Seminaren dienen kann, aber auch für alle interessierten Pflegelehrende, die durch die Themenvielfalt zum Nachdenken über ihre Aufgaben angeregt werden. Der Sammelband hat einen deduktiven Aufbau: von den mehr abstrakten Fragen wie zum wissenschaftlichen Denken bis hin zur konkreten Analyse der Gestaltung von Unterrichtsräumen.

Im ersten Aufsatz beschreibt Elisabeth Linseisen den „Umgang mit Wissen-schaffen – was kann das in der Pflege(ausbildung) bedeuten?“ (S. 5-25). Sie verweist auf das neue Krankenpflegegesetz, nach dem Pflegehandeln an pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen auszurichten ist. Pflegewissenschaftliches Wissen entsteht durch die Rückkoppelung von Fragen aus der Praxis an die Wissenschaft. Als Beispiel führt sie die Forschungsverfahren für Expertenstandards an. Grundlegende Fragen zum Verständnis von Wissenschaft schließen sich an (Kap. 3). Noch grundsätzlicher wird es bei der Frage nach  dem Verständnis der Pflegewissenschaft, die in der Frage „Was ist Pflege?“ gipfelt. Ein Vorschlag zur Verbindung von Pflege und Pflegewissen zu einer Wissenschaft der Pflege rundet den ersten Aufsatz ab.

Der folgende Text ist von Astrid Elsbernd zu „Pflegewissenschaftliche Fundierung der Pflegelehre – Herausforderungen an eine fachfundierte Pflegelehre“ (S. 27-40). Den Hauptteil bildet die Beschreibung der pflegefachlichen Kompetenzen von Pflegelehrern/innen (Kap. 2), die auf disziplinübergreifende Kompetenzen und auf die Disziplin Pflegewissenschaft  verweist. Sie soll von den Pflegelehrenden als in Form eines systematischen und fachlich begründeten Pflegehandelns vermittelt werden (Kap. 2.3.). Elsbernd geht dabei auch auf pflegefachliche Spezialisierungen, die Bezugsdisziplinen, den Theorie-Praxis-Transfer und das kollektive Lernen ein.

Konkret auf den Unterrichtsalltag ist der Artikel von Michael Bossle ausgerichtet mit den Titel „Handlungsorientierung: Dreh- und Angelpunkt für die Weiterentwicklung von Unterricht und Schule“ (S. 41-57). Er erinnert an die historischen Ursprünge durch Verweise auf Pestalozzi und Dewey, bevor er auf die fachdidaktischen Positionen näher eingeht. Als Bezugspunkte nennt er 1. die „Wandlungsphänomene der Praxis“ (wobei er u.a. die zunehmende strukturelle Professionalisierung der Berufsangehörigen einer habituellen De-Professionalisierung gegenüberstellt, S. 47) und 2. „pflegewissenschaftliche und pflegedidaktische Entwicklungen“ (wobei er u.a. die Diskrepanz zwischen Pflegedidaktik und Pflegebildungspraxis problematisiert, S. 48). Dann erst kommt Bossle zum Bezugspunkt 3, der „methodischen Konkretisierung“ (Kap.2.3). Als zentrale Merkmale der Handlungsorientierung sieht er die Subjektorientierung oder Lernerzentrierung. Mit Bezug auf die KMK u.a. stellt er sieben Kriterien für HOU auf. Welche Auswirkungen der handlungsorientierte Unterricht auf die Lehrpersonen hat und welche Fähigkeiten dazu erforderlich sind, ist Inhalt des dritten Kapitels. Die  „Konsequenzen veränderter Lehr- und Lernhaltung“ (Kap. 4) zeigen sich in den von Bossle zusammengefassten „Positionen der Schul- und Unterrichtsentwicklung“ (S. 54).

Im nächsten Artikel befasst sich Constanze Giese mit „Ethik in der Pflegeausbildung als Ethik eines Careberufes“ (S. 59-77), wobei zuerst „Tradition und Entwicklung“ (Kap.2) des ethischen Gedankens in Medizin und Pflege beleuchtet werden, bevor auf „ethische Kompetenzentwicklung und Verantwortungsbereiche der Pflege“ (Kap. 3) eingegangen wird. Die vielfältigen Literaturverweise geben einen ersten Überblick, dem im Kapitel 4 die verschiedenen „Verantwortungsbereiche der Pflege und mögliche normativ-ethische Bezüge“ folgen wie die Aufgaben und Verantwortungsbereiche der Pflege gegenüber dem konkreten Patienten, gegenüber dem Team und der Einrichtung sowie in einer konkreten gesellschaftlichen und historischen Situation. Die „Konsequenzen für die Ethik als aktuelles Pflegethema“ (Kap.5) lassen sich vielleicht am besten mit dem Satz zusammenfassen: „Die Erkenntnis, dass das gelehrte Pflegeverständnis und der ihm korrespondierende ethische Hintergrund einer systemstabilisierenden Zurichtung der Auszubildenden für eine an anderen Gesetzmäßigkeiten ausgerichtete klinische Versorgungspraxis entgegen gesetzt ist, muss offen thematisiert und reflektiert werden“ (S. 74).

Helen Kohlenmöchte mit dem nächsten Titel „Wie kommt das Gefühl in den Kopf? Geschichte(n) zum Thema Verantwortung für die Ethiklehre in der Pflege“ (S. 79-95) einen ethischen Reflexionsprozess in Gang setzen. Zuerst werden Inhalte und methodisch-didaktische Schritte zur „Geschichte der Pflege im Nationalsozialismus“ (Kap.2) für den Pflegeunterricht dargestellt. Das dritte Kapitel „(Fall)Geschichten in der klinischen Alltagspraxis“ zeigt „Methoden zur Bearbeitung von ethischen Fallgeschichten“ (Kap.3.1) auf, wobei haltungsorientierte Methoden ein umfassendes Verstehen der Situation zum Ziel haben und einem handlungsorientierten Vorgehen vorgeordnet sind (vgl. S. 84). Eine konkrete Fallgeschichte zur „Betreuung eines Patienten mit muslimischem Hintergrund nach Organtransplantation“ (Kap.3.2), die schon an anderer Stelle veröffentlicht wurde, schließt sich an. „Methodisch-didaktische Hinweise zur Analyse einer Fallgeschichte“ (Kap.3.3) sowie ein „Kommentar zur Fallgeschichte“ (Kap.3.4) folgen.

Im nächsten Thema „Phänomenologisches Lehren und Lernen in der Pflege“ (S. 97-115) geht Charlotte Uzarewicz zuerst auf den  theoretischen Hintergrund ein (Kap. 2 „Phänomenologische Methoden“). Sie beschreibt dann sehr konkret die „Methode des phänomenologischen Lehren und Lernens“ (Kap.3), indem sie die Voraussetzungen klärt (3.1), ein mögliches Vorgehen zur „Einstimmung in phänomenologisches Arbeiten“ (3.2) darstellt und zur „Auswahl eines Phänomens …“ (3.3) einen Verfahrensplan vorgibt. Ebensolche Planungshilfen finden sich für das „Literaturstudium … zur Analyse des Phänomens“ (3.4) und zur Reflexion (3.5).

„Auf dem Weg zum Gesund-Sein. Gesundheitsförderung lernen und gesundheitsfördernd lehren“ wird von Monika Fröschl beleuchtet (S.117-128). Nach „Gedanken zum Gesundsein“ (Kap.1) mit einem spirituell-systemischen Modell folgen verschiedene „Handlungsstrategien gesundheitsfördernden Lernens“ (Kap.2), bevor mit „Handlungsqualifikationen für die Lehre“ (Kap.3) konkrete Fähigkeiten zu „Enabling, Advocacy und Mediation“ verdeutlicht werden.

Peter Hammerschmid führt in das aktuell geforderte Thema „Beratung lehren. Grundsätze, Didaktik und Praxis“ (S: 129-142) ein. Vor einer „Begriffsdefinition“ (Kap.2) geht er auf den gesetzlichen Rahmen ein. Er unterscheidet Beratung von Therapie und Alltagsberatung (Kap.3) und vertieft dann speziell die Beratung in der Pflege (Kap.4). Im Kapitel 5 beschreibt er verschiedene Beratungskonzepte und Modelle und weist in einer sehr komplexen Tabelle „fünf zentrale Beratungstraditionen verschiedener Bezugswissenschaften“ aus. Hilfreich sind die Hinweise zu den „Rahmenbedingungen von Beratung in der Pflege“ (Kap.6) und die Ausführungen zu „Beratung als Prozess“ (Kap.7). Die „didaktische Analyse“ (Kap.8) mit 11 Punkten zum Aufbau von Beratungskompetenz rundet das Thema ab.

Den Abschluss bildet Charlotte Uzarewicz mit einem noch ungewohnten, aber nicht weniger aktuellen Thema: „Räume zum Lernen – Räume zum Lehren? Über atmosphärische Einflüsse und Gestaltungsmöglichkeiten“ (S. 143-161). Es geht um „Atmosphären“ (Kap.2) und wie und wo wir diese spüren (Kap.3). Dabei werden der Leib und die leibliche Kommunikation angesprochen. Im 4. Kapitel werden die „Grundlagen für die Gestaltung von Lehr-Lernräumen“ aufgezeigt, bevor ein „Konzept für Raumanalyse und Raumgestaltung“ (Kap.5) mit einem Modell zum Explorieren der Möglichkeitsräume näher dargestellt wird sowie eine Ist-Analyse und ein Soll-Konzept. Zum Abschluss erhalten wir einen „Überblick über die Stufen der Raumanalyse und –gestaltung“ (Kap.6) mit einem differenzierten Schema.

Das Buch bietet eine Vielzahl von Themen an, die für Pflegelehrende in den verschiedenen Ausbildungsrichtungen gleichermaßen von Interesse sein dürften. Die eher zufällige Themenauswahl ist durch das Fortbildungskonzept bestimmt und ist ganz besonders für alle Lehrpersonen geeignet, die sich mit diesen Themen weiter befassen möchten.