Meyer, Hilbert und Uta Oelke
Didaktik und Methodik für Lehrende in Pflege- und Gesundheitsberufen
Cornelsen Verlag; Berlin, 2013, 448 S., 19,95 €, ISBN 978-3-06-450054-9
Rezension von Jonas Hänel (M. Ed.) und Christin Knodel (B. Ed.)
Seit Jahrzehnten gibt es eine Reihe von Lehrbüchern für Lehramtsstudierende, -anwärter und -anwärterinnen sowie für erfahrene Lehrende. Zu ihnen ist nun auch das vorliegende Werk „Didaktik und Methodik für Lehrende in Pflege- und Gesundheitsfachberufen“ zu zählen, welches sich speziell an die Lesergruppe aus dem Pflege- und Gesundheitsbereich richtet. Es ist 2013 im Cornelsen Schulverlag in der Reihe „Teach the Teacher“ erschienen. Beide Autoren versuchen einen Balanceakt zwischen allgemeindidaktischen und berufsfelddidaktischen Grundlagen sowie theoretischen und praktischen Empfehlungen für das Lehren und Lernen im Bereich der Pflege- und Gesundheitsberufe einzugehen.
Hilbert Meyer ist aus den Regalen Lehramtsstudierender, -anwärter und -anwärterinnen kaum wegzudenken. Werke wie „Unterrichtsmethoden I und II“ oder „Was ist guter Unterricht?“ begleiten Studierende auf ihrem Weg in den Beruf und bieten auch dort die Möglichkeit, sich immer wieder wichtige allgemeindidaktische Ansichten, Modelle etc. zu verdeutlichen. Umso erfreulicher scheint es, dass sich dieser Autor gemeinsam mit Uta Oelke der Lesergruppe aus dem Gesundheits- und Pflegebereich annimmt. Die Hochschullehrerin für Didaktik und Methodik der Hochschule Hannover ist nicht nur für ihre Leistungen im Bereich der Implementierung des szenischen Spiels gemeinsam mit Ingo Scheller bekannt, sondern veröffentlicht seit einigen Jahren eine Reihe von Lehrbüchern, wie beispielsweise „In guten Händen Gesundheits- und Krankenpflege/Gesundheits- und Kinderkrankenpflege“.
Zur Entstehung des Buches schreiben die Autoren, dass es vor fünf Jahren noch nicht für möglich gehalten wurde, gemeinsam ein Buch über Didaktik und Methodik zu veröffentlichen. Doch durch den Verlag unterstützt, entstand die Idee einer gemeinsamen Publikation. So wurde intensiv zusammengearbeitet, alte Texte modifiziert, neue entwickelt und ausgetauscht, um sich so der Adressatengruppe – Lehrende in den Pflege- und Gesundheitsberufen – zuzuwenden.
Die Autoren versuchen den Balanceakt zwischen praktischen, allgemeinen und speziellen Inhalten zu lösen, indem sie in den ersten beiden Kapiteln theorieorientiert auf Grundsätze der Didaktik eingehen, in den zwei folgenden Grundsätze zur Unterrichtsmethodik und -planung klären, im fünften Kapitel Meyers Modell des „guten Unterrichts“ fokussieren und sich im letzten, dem sechsten Kapitel, den Lehrenden im Pflege- und Gesundheitsbereich zuwenden.
Nachdem im ersten Kapitel neben einem historischen Ausflug eine wissenschaftstheoretische Standortbestimmung sowie die Klärung des Begriffes „didaktische Kompetenz“ erfolgen, wenden sich die Autoren im zweiten Kapitel vier bekannten allgemeindidaktischen Modelle zu – der Bildungstheoretischen bzw. Kritisch-konstruktiven Didaktik Wolfgang Klafkis, der Dialektischen Didaktik Lothar Klingenbergs, der Lern- bzw. Lehrtheoretischen Didaktik Paul Heilmanns und der Konstruktivistischen Didaktik. Daran anschließend stehen Begriffserklärungen auf mikrodidaktischer Ebene sowie Hinweise zu verschiedenen Sozial- und Organisationsformen im Zentrum des Abschnittes „Unterrichtsmethodik“. Im vierten Kapitel wird verdeutlicht, wie Lehr-Lernprozesse strukturiert werden können – so erfolgen Hinweise zu Unterrichtsplanungen. Darauffolgende Passage bietet eine Annäherung an das Meyersche Verständnis „guten Unterrichts“. Er entwickelt einen Kriterienmix, welcher im Einzelnen erläutert und beschrieben wird. Der letzte thematische Schwerpunkt des Werkes richtet sich nun speziell an Lehrende des Pflege- und Gesundheitswesens. Im ersten Abschnitt befassen sich die Autoren mit Klafkis Allgemeinbildungskonzept, um auf die Problematik Schlüsselqualifikationen bzw. Kompetenzförderung einzugehen. Um den Anforderungen der KMK gerecht werden zu können, muss ein handlungsorientierter Unterricht erfolgen. Um diesen zu gewährleisten, werden unter anderem das Kooperative Lernen, das erfahrungsorientierte bzw. szenische Lernen und das ethische Lernen vorgestellt. Den Abschluss bilden Hinweise für die Entwicklung eines schulinternen Curriculums.
Wie von Meyer bekannt, sind die Kapitel durch ihre Sprache leicht zugänglich und mit Thesen untermauert, die kurz und prägnant die einzelnen Abschnitte in einer Einzelaussage zusammenfassen.
Es bedarf keines genauen Blickes auf den Inhalt, um zu erkennen, dass die Ausführungen des Werkes größtenteils allgemeindidaktischer Natur sind. Die ersten fünf Kapitel (S. 1-331) sind teilweise unverändert aus Meyers Publikationen „Unterrichtsmethoden I/II“ und „Was ist guter Unterricht?“ entnommen. So bleiben 69 Seiten für Inhalte der beruflichen Didaktik – das Ziel der Autoren, einen Balanceakt zwischen allgemeindidaktische und berufsfelddidaktischen Inhalten zu lösen, ist damit infrage zu stellen. Im allgemeindidaktischen Teil zeigt sich, dass der Adressatenbezug hier nicht beachtet wurde – vielleicht auch gar nicht beachtet werden konnte. Es finden sich immer wieder Beispiele aus dem Bereich der allgemeinbildenden Schulen, womit die Autoren zwar den Theorie-Praxis-Bezug herstellen, allerdings nicht bedenken, dass diese Unterrichtsbeispiele an den berufsbildenden Schulen schlecht umsetzbar sind. Aus diesem Grund ist die Frage zu stellen, welche Lesergruppe fokussiert wird?
Einleitend legen die Autoren die Adressaten folgendermaßen fest: Lehrende in den Pflege- und Gesundheitsberufen, die sich in einer Sondersituation befinden. Diese zeichne sich durch wenige akademische Abschlüsse, manchmal gänzlich fehlende pädagogische Qualifizierung, selten Referendariat u. v. m. aus. Interessant ist auch die Annahme vergleichsweise homogener Klassen oder die flexible Stundenplantaktung. Zum einen ist die Zielgruppe damit klar ausgemacht – Lehrende mit fehlenden akademischen Abschluss oder Referendariat, denen so anhand des Buches ein Crash-Kurs in Gesundheits- und Pflegeunterricht ermöglicht wird. Damit widersprechen sich die Autoren indirekt, wollte man doch auch Studierende, Referendare und Referendarinnen sowie Hochschullehrende ansprechen. Zum anderen erweckt es den Eindruck, dass die heutigen akademischen Entwicklungen der Lehrenden in diesen Berufen, die bereits in Landesgesetzen verankert sind, unberücksichtigt bleiben. Des Weiteren kann diese Grundhaltung als resignierter Ausdruck einer seit jeher bestehenden Deprofessionalisierung der Lehrenden in Gesundheits- und Pflegeberufen gelesen werden.
Auch im berufsfelddidaktischen Teil zieht sich dieser Eindruck fort, man könne schnell hoch qualifizierte Lehrende in den Pflege- und Gesundheitsberufen heranziehen. In diesem Teil, welcher den Mehrwert im Gegensatz zu bereits vorhandenen Lehrmitteln bieten könnte, wurden aktuelle pflegedidaktische Bezugsrahmen völlig außer Acht gelassen. Es wird zwar von Curriculumsentwicklungen und Lernfeldkonzept gesprochen, doch nur auf allgemeindidaktische Konzepte eingegangen. Auch wenn es ausdrücklich nicht das Ziel war, ein pflege- oder gesundheitsdidaktisches Modell zu erarbeiten oder eine Synopse der bestehenden pflegedidaktischen Modelle abzubilden, bekommt ein Leser ohne Vorerfahrungen nicht den Eindruck, welchen Wissenskorpus beispielsweise die Pflegedidaktik bereits besitzt. Die Autoren und Autorinnen sind zwar im Literaturverzeichnis aufgeführt, auf entsprechenden Seiten aber nicht wiederzufinden. Durch diesen Ausschluss des pflegedidaktischen Diskurses gerät das Buch an seine Grenzen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass dieses Werk – wie von Meyer gewohnt – komplexe Inhalte schnell zugänglich macht. Definitionen sind sofort zu finden und leicht verständlich auf das Wesentliche vereinfacht. Die allgemeindidaktischen Ausführungen bieten Altbekanntes und Geschätztes, aber nichts Neues. Einen Mehrwert bringt auch der zu kurz gehaltene Anteil der beruflichen Didaktik nicht. Er widerspricht zudem einem pflegedidaktischen Grundkonsens, dass allgemeindidaktische Modelle den berufsspezifischen Vermittlungsanforderungen in den Gesundheits- und Pflegeberufen nicht allein gerecht werden können. So interessant der Aspekt erscheint, dass ein Allgemeindidaktiker wie Hilbert Meyer und eine Pflegedidaktikerin wie Uta Oelke gemeinsam ein Buch gestalten, so nüchtern muss das Fazit ausfallen: Wer auf der Suche nach der Verbindung zwischen Allgemein- und Berufsfelddidaktik im Bereich der Gesundheits- und Pflegeberufe ist und sich dies von diesem Werk erhofft, wird enttäuscht sein.