„Pflegen Können“ – Ein Curriculum für die praktische Krankenpflegeausbildung (Deutscher Evangelischer Krankenhausverband e. V., Josef Grandjean, Esther Selle, Andrea Trenner, u. a.: )Lambertus-Verlag: Freiburg, 1998Rezension von: Friedhelm Henke, Anröchte |
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Das in ökumenischer Arbeit entstandene Werk baut auf das theoretische Curriculum der Arbeitsgemeinschaft krankenpflegender Ordensleute Deutschlands (AKOD) auf. Damit liegt erstmals in Deutschland ein gesamtes Curriculum für die Krankenpflegeausbildung vor. Zielsetzung Ziel dieses Curriculums ist es, die theoretischen Krankenpflegeausbildung unmittelbar mit exemplarischen Übungen und Erfahrungen der Praxis zu verknüpfen. In der Ausbildung kann schließlich nicht alles gelehrt werden. Um mit den ständigen Weiterentwicklungen in der Pflege mithalten zu können und diese dabei ggf. mitgestalten zu können, ist das „Lernen zum Lernen“ erforderlich. Mit Hilfe des exemplarischen Lehrens/Lernens sollen die Schüler befähigt werden, das Erlernte selbständig auf andere Situationen des komplexen u. unvorhersehbaren Pflegealltags zu übertragen. Nicht mittels der Reproduktion möglichst vieler Einzelkenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, sondern mit dem Einsatz einer begrenzten Zahl ausgewählter Beispiele sollen die Schüler aktiv verallgemeinerbare Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen erarbeiten. Grundlage Grundlage des Curriculums ist das Christlich-humanistische Menschenbild. Daraus ergibt sich ein ganzheitliches Pflegeverständnis. Pflege wird als verantwortungsbewußtes und kompetentes Handeln gesehen. Die Definitionen findet man in den Paradigmen (Blickwinkel einer Unterrichtseinheit) wieder, die schon im theoretischen Curriculum eingesetzt wurden. Das christliche-humanistische Menschenbild erklärt sich damit, daß man sich dort, wo der Mensch ins Spiel kommt, nicht auf reine Rationalität beschränken kann. Wird das Menschliche (das Humane) nicht geachtet, kann Sachlichkeit unsachlich/unmenschlich werden! Daher richtet sich die professionelle Pflege nach dem Leitbild des Samariters aus (christlich). Sie verbindet Sachlichkeit mit Menschlichkeit. Die Krankenpflegekraft ist oft als Persönlichkeit (Mensch) gefordert und dient als Vorbild für die Kranken, indem sie Ruhe, Sicherheit, Zuversicht, Hoffnung sowie Selbstbeherrschung und Taktgefühl vermittelt. Darum bedürfen die Schüler/-innen während ihrer Ausbildung einer christlich-humanistischen Wertorientierung und der Förderung ihrer Persönlichkeit. Organisation Der Einsatz des Schülers in den verschiedenen Bereichen erfolgt durch den Kursleiter. Es wird empfohlen, sich für jedes Ausbildungsjahr 9 Projekte vorzunehmen. Das Curriculum für die praktische Krankenpflegeausbildung besteht aus 2 Modulen. Im Anleiterhandbuch erfolgt die Darstellung von 27 Projekten mit speziellen Hinweisen, auf die Paradigma der theoretischen Curricula, dem Ausbildungsbereich sowie mit didaktischen Hinweisen (Transfers, Lernzugänge, Literaturempfehlungen). Als gleichberechtigte Partner sollen die Schüler/-innen* aktiv an der Ausbildungsplanung beteiligt werden. Das Schü lerhandbuch dient dem Schüler als Hilfe bei der Vorbereitung und Auswertung sowie als Nachweis der praktischen Tätigkeit. Während der Vorbereitung vereinbart der Schüler mit seinem Anleiter das Projekt. Er trägt es in das Formular „Praxisplanung“ in die erste Spalte (Anleitungsstruktur) ein. Jeder Anleiter und jeder Schüler besitzt eine Übersicht über die 27 Projekte (der Anleiter auch die bereits ausgefüllten Formulare). Im Vorgespräch bereitet der Schüler das Projekt vor, indem er selbst das Formular „Praxisplanung“ ausfüllt. Hilfreich ist eine kopierte Beispielvorlage (Projekt Nr. 25 wird empfohlen). Zur Dokumentation trägt der Schüler trägt seine Erfahrungen in das Formular „Auswertung“ ein. Dann vergleicht er zusammen mit dem Anleiter die beiden Formulare „Praxisplanung/Auswertung“. Im Auswertungsgespräch, welches schriftlich fixiert wird, erfolgt die Reflexion, Diskussion und Evalution des Pflegehandelns. Dabei werden Stärken und Schwächen erkundet und Konsequenzen für die weiter praktische Ausbildung gezogen. Mit der Unterschrift bestätigt der Anleiter die erfolgreiche Teilnahme des Schülers am Projekt. Die Projekte 1. Die Aufnahme des Patienten 2. Betreten des Krankenzimmers 3. Verlassen des Krankenzimmers 4. Ambulante Pflege 5. Pflegevisite 6. Präoperative Pflege eines Patienten mit Appendizitis 7. Körperpflege im Bett 8. Unterstützen eines sterbenden Menschen 9. Unterstützen eines verwirrten alten Menschen bei der Körperpflege 10. Übernahme einer Wöchnerin aus dem Kreissaal 11. Pflege eines fiebernden Kindes 12. Umgang mit Medikamenten 13. Mobilisierung eines Patienten mit Herzinfarkt 14. Lagern und Bewegen eines Patienten mit Hemiparese nach dem Bobath-Konzept 15. Anbieten von Speisen und Getränken für einen Patienten mit Hemiparese nach dem Bobath-Konzept 16. Selbsthilfetraining eines Patienten mit Asthma bronchiale 17. Betten eines Patienten mit Lagerungsschiene 18. Begleitung eines Patienten zur endoskopischen Untersuchung 19. Versorgen eines Patienten mit Enterostoma 20. Postoperative Überwachung eines Patienten nach Darmresektion 21. Katheterisieren eines Patienten zur d a u e r h a f t e n Urinableitung 22. Anleitung eins Patienten mit Diabetes mellitus zur Insulininjektion 23. Frühmobilisierung einer Patientin nach Uterusexstripation 24. Verbandvisite bei einer Patientin nach Mastektomie 25. Dienstübergabe mit einem schwerhörigen Patienten 26. Wahrnehmung und Beobachtung eines Patienten mit psychischer Erkrankung 27. Die Pflege eines Patienten mit Harninkontinenz bei Morbus Alzheimer Kritische Einschätzung Bei der sicherlich sehr lobenswerten Berücksichtigung des ganzheitlichen Pflegeverständnisses und des allgemeinbildenden Charakters muß es sich jedoch den Vorwurf gefallen lassen, idealtypisch zu sein. So bleibt die Frage: „Wie lukrativ ist es eigentlich für die Pflegekräfte, Anleiter (Mentor) zu sein?“. Die Motivation der Anleiter scheitert oft an der mangelnden zeitlichen Ermöglichung. Der oben skizzierte Sinn der exemplarisch ausgerichteten Projekte ist meines Erachtens ein triftiges Argument zur Forcierung der Anleitertätigkeit auf der Grundlage dieses Curriculums. Dadurch, daß man sich auf 27 Projekte beschränkt und das Erlernte auf andere Situationen des Pflegealltags übertragbar ist, wirkt sich die Tätigkeit des Anleiters sehr effektiv auf die Schüler aus. Dies ist für alle Beteiligten von Vorteil! Man sollte nicht vergessen, dass Kursleiter und Anleiter in jedem Fall sehr gut kooperieren müssen. Es sind regelmäßige Treffen (mindestens alle vier bis sechs Wochen) erforderlich. Nur so profitiert der Schüler schließlich von der mit diesem Curriculum beabsichtigten Verzahnung der theoretischen und praktischen Inhalte der Krankenpflegeausbildung. *Im folgenden Text sind mit „Schüler“ auch die Schülerinnen gemeint.