Gewalt in der psychiatrischen Pflege (Rezension)

Gewalt in der psychiatrischen Pflege (Sauter, Dorothea/Richter, Dirk (Hrsg.): )

Hans Huber Verlag, Bern 1998

Rezension von: Dr. J. Tauch

„Die Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt gehört unabdingbar zur Arbeit in der Psychiatrie“ – So beginnt das Buch Gewalt in der Psychiatrie von Dorothea Sauter und Dirk Richter. Die Herausgeber greifen damit ein lange tabusiertes Thema auf und stellen es aus unterschiedlichen Blickwinkeln dar. Das Ziel war es, Gewalt in der psychiatrischen Pflege aus vielen Perspektiven zu beleuchten, ohne allerdings den Anspruch zu besitzen, die Problematik umfassend darzulegen. Vielmehr kann dieser Sammelband als Start in eine notwendig gewordene weiterführende Diskussion gelten. Als Interessengruppe werden Pflegende, vor allem aus der psychiatrischen Pflege angegeben. Diese finden sich hier meist anhand vieler Beispiele mit einer alltäglichen Problematik konfrontiert, die im Rahmen der deutschsprachigen Wissenschaft und Literatur fast gänzlich ausgeblendet wurde. Die schon erwähnte Vielfältigkeit der Beiträge läßt sich an zwei Beispielen festmachen. So schildert Voelzke in dem Kapitel „Gewalt und Aggression im stationären Alltag aus Sicht Psychiatrie-Erfahrener“ von Situationen die Mut machen, beispielsweise durch die Bildung verschiedener Selbsthilfegruppen und einem verstärkt einsetzenden Trailog zwischen Betroffenen, engagierten Profis und Angehörigen. Gleichzeitig beschreibt er eindringlich die teilweise noch immer desolat verherrschenden Strukturen vieler psychiatrischer Stationen, die Aggressionen an vielen Stellen erst hervorruft. Sein Beitrag schließt mit 13 konkreten Forderungen zur Verringerung von Gewalt der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie. Mein verstärktes Interesse galt weiterhin dem Kapitel von Behrens mit einer juristischen Herangehensweise. Der Autor stellt die teils nicht eindeutig definierte Rechtsprechung ebenso zur Diskussion, wie ganz klar definierte Sachverhalte. Durch die untermauernden Fallbeispiele wird somit beispielsweise die Notwendigkeit einer eingehenden Dokumentation deutlich. Auf die anderen Kapitel sei im folgenden nur punktuell hingewiesen. Ringbeck schildert den pflegerischen Umgang mit Gewalt, die dann durch ein Fallbeispiel durch Walter untermauert werden. Der Erhalt der Handlungsfähigkeit in solchen Krisensituationen spielt eine große Rolle und wird von Heinemann thematisiert. Ein wichtiger Eckpunkt im Umgang bildet die Supervision. Fricke zeigt dabei anhand beeindruckender Fälle die Notwendigkeit der Reflexion im Team auf. Richter schließlich gibt eine vornehmlich nicht aus Deutschland stammende Literaturübersicht. Das Buch endet mit dem Leitfaden zum Umgang mit Gewaltsituationen im Pflegealltag. Gewalt in der psychiatrischen Pflege ist ein überaus praxisbezogenes Buch und gibt weiterführende Einblicke in den Alltag dieses Bereichs. Die kleineren Schwächen – wo sind beispielsweise die Literaturhinweise zu den Aggressionstheorien bei Ringbeck? – werden durch eben jene Vielfältigkeit und den Praxisbezug vollkommen kompensiert.