Pflege bei Sterbenden |
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Vor allem angesichts der Tatsache, daß eine Gesellschaft, deren Werte- und Normkodex sehr stark an Jugendlichkeit, Machbarkeit und Funktionstüchtigkeit orientiert ist, Sterben und der Tod so weit wie möglich aus dem gesellschaftlichen Leben verbannt und Institutionen bzw. die in diesen Tätigen mit der Versorgung der Menschen an ihrem Lebende betraut, ist es sicher immer wichtig, die Bedingungen dieser Dienstleistung neu zu bedenken. Und da den Pflegenden bei der Betreuung Sterbender die entscheidende Rolle zukommt, ist es auch angemessen, die Pflege bei Sterbenden im Besonderen zu thematisieren. In dem vorliegenden Büchlein werden in zehn Kapiteln (Pflege in der Spannung zum Mensch- und Christsein; Leben und das Leid im Leben; Leben und Tod; Handeln in pflegerischer Verantwortung; die Wahrheit am Krankenbett; die Hpospizbewegung; der religiöse Beistand für Sterbende; der Eintritt des Todes; Trauer und trauern; Heilung und Heil: Auftrag der Pflege) auf knapp 100 Seiten die vielfältigen Aspekte der Begegnung mit Sterben und Tod in der Pflege abgehandelt, was allerdings in nahezu allen Punkten bedeutet, daß die Sachverhalte nur angerissen werden und eben leider auch, daß einige Themen in unzulässigr Weise verkürzt werden, z.B. die Ethanasie-Problematik oder die Frage des Suizids, der gerade eine Seite gewidmet ist; auch können drei Seiten der Bedeutung der Hospizbewegung in keiner Weise gerecht werden.
Dem von der Autorin in der Einführung formulierten Anspruch,daß dieses Buch eine Materialsammlung für den Unterricht an Krankenpflegeschulen, Kinderkrankenpflegeschulen, Schulen für Krankenpflegehilfe und Altenpflegeschulen sein soll, wird das Büchlein in keiner Weise gerecht.
Auch hinsichtlich des zweiten Anspruches, nämlich den christlichen Anspruch der Krankenpflege zu verdeutlichen, bleiben viele Fragen offen. Die Pflegewissenschaftlerin und -ethikerin Marianne Arndt, die sich seit diesem Jahr in ein Kloster zurückgezogen hat, unternimmt den Versuch, eine spezifisch christliche Begründung pflegerischen Handelns herauszustellen. Im Mittelpunkt steht das Nächstenliebegebot sowie der Auftrag des barmherzigen Samariters an den Besitzer der Herberge "... sorge für ihn". Pflege ist danach "Auftrag und gestaltet sich als Ort gelebter christlicher Existenz". In diesem Sinne tragen "Pflegende, die den Menschen und seine Umgebung als Teil der Schöpfung betrachten und im Verständnis des Sorgetragens mitwirken am Auftrag Gottes, die Welt mitzugestalten, ... in der Erfüllung ihrer beruflichen Aufgaben dazu bei, daß Christus sichtbar bleibt in dieser Welt". Die Autorin gibt immerhin zu, daß sie nicht zu sagen vermag, inwieweit und ob überhaupt christliche Pflege in der Praxis von einer nicht als christlich definierten Pflege zu unterscheiden ist; und all denen, die aus einer ganz anderen Motivation heraus pflegen, wird auch nicht die pflegerische Kompetenz abgesprochen.
Auch wenn man sich, wie der Rezensent, durchaus als in christlichem Sinne religiös versteht, hätte man doch gerne erfahren, was denn ein Satz wie "Das christliche Verständnis ist durch die Zuversicht geprägt, daß wir einmal in der Vollendung unseres Lebens bei Gott sein werden" konkret bedeutet. Und man würde gerne etwas darüber lesen, wie denn ein spezifisch christliches Verständnis pflegerischen Handelns angesichts der etablierten High-Tech-Medizin bedeutet bzw. wie eine so begründete Pflege realisiert werden kann - hier würde es in der Tat Bedarf nach Orientierung geben. Die Auflistung der Gebete und Bibeltexte, die im Kapitel "Der religiöse Beistand für Sterbende" haben bei dem Rezensenten eigentlich nur Fragen hervorgerufen - die Auswahl ist in keiner Weise nachvollziehbar und vollkommen willkürlich. Daß in der katholischen Kirche bestimmte feststehende Gebete eine Rolle spielen, die einem evangelischen Christen fremd sind, ist auch für einen Ketzer calvinscher Prägung noch einsehbar, daß aber für katholische und evangelische Christen unterschiedliche Bibelstellen trostreich sein sollen, ist nicht einsichtig - und schon gar nicht, weshalb ein und dieselbe Bibelstelle dem katholischen Christen in einer anderen Übersetzung (und verkürzten Form) Trost spenden soll wie einem evangelischen.
Das Büchlein kann beiden Ansprüchen nicht gerecht werden. Ich vermag es nicht zu empfehlen.