Pflegewissenschaft 1<br> Lehr- und Arbeitsbuch zur Einführung in die Pflegewissenschaft <br> Unter Mitarbeit von Gerd Bekel, Volker Fenchel und Reinhard Lay (Rezension)

Pflegewissenschaft 1
Lehr- und Arbeitsbuch zur Einführung in die Pflegewissenschaft
Unter Mitarbeit von Gerd Bekel, Volker Fenchel und Reinhard Lay (Brandenburg, Hermann und Stephan Dorschner (Hrsg.))

Verlag Hans Huber, Bern, 2003, 214 S., 14 Abb., 13 Tab., 39,95 € - ISBN 3-456-83670-8

Rezension von: Paul-Werner Schreiner

Seit etwa 15 Jahren findet eine Qualifikation in den Pflegeberufen auch im sog. tertiären Bildungsbereich statt. Es gibt inzwischen etwa 50 Studiengänge, vorwiegend an Fachhochschulen und vereinzelt auch an Universitäten. Die Studiengänge haben im Wesentlichen die vormals an Weiterbildungsinstituten und Akademien angebotene Weiterbildung zur Leitung des Pflegedienstes und zum Lehrer für Pflegeberufe abgelöst und erweitert; nur wenige Studiengänge fungieren derzeit als rein pflegewissenschaftliche. Entsprechend hat die überwiegende Mehrzahl der Studenten die Ausbildung in einem Pflegeberuf absolviert, und es ist noch eher die Ausnahme, dass ein Pflegestudium als primäre Qualifikation gewählt wird.

Alle Studiengänge verfolgen das Ziel, die Absolventen dafür zu qualifizieren, die pflegerische Praxis systematisch zu erforschen, um so nach und nach eine wissenschaftlich abgesicherte Basis für pflegerisches Handeln zu erlangen. Noch gibt es hierfür in Deutschland nur wenig einführende Literatur. So ist es zu begrüßen, dass Professoren der Katholischen Fachhochschule Freiburg und der Fachhochschule Jena den ersten Band eines offenkundig auf mehrere Bände angelegten Lehr- und Arbeitsbuches vorlegen.

Anstelle einer umfangreichen Einführung und eines Schlusses, führen die Herausgeber einen Dialog, in dem Leser etwas über die Entstehung des Buches erfährt - Ausgangspunkt war ein Studienbrief für das Fernstudium in Jena - und einiges darüber, wie die Diskutanten die Situation der deutschen Pflegeforschung einschätzen. Es ist dort zwar zu lesen, dass die Verortung der Pflege hinsichtlich der ihr zugesprochenen Kompetenzen ein Problem für die Etablierung der Pflegewissenschaft - Brandenburg: "Die Weiterentwicklung der Pflegewissenschaft hängt natürlich auch nicht zuletzt mit der Frage der Macht zusammen." Leider wird dieser Gedanke aber nicht weiter vertieft. So fehlt auch eine Reflexion darüber, wie die neuen Kenntnisse in die Praxis transferiert werden können, was angesichts der Tatsache, dass diejenigen, die Pflege studieren, dies mit dem festen Vorsatz tun, nicht wieder in die stets weisungsabhängige Position der Pflegenden in den angestammten Tätigkeitsfeldern der Pflege zurückzukehren - in Deutschland studiert man ja derzeit, sieht man vom Pflegemanagement und der Pflegepädagogik ab, Pflege nicht, um in diesen angestammten Tätigkeitsfeldern der Pflege zu arbeiten, sondern um von denen wegzukommen..

Nach diesem lesenswerten einleitenden Dialog, der am Ende des Buches fortgesetzt wird, folgt im ersten Teil des Buches der "Versuch einer Grundlegung" der Pflegewissenschaft. In einer Einführung in das, was unter Wissenschaft verstanden werden kann, wird im Besonderen auf die Wissenschaftsentwicklung nach Kuhn abgehoben. Eine erste Annäherung an die Pflegewissenschaft beginnt mit der Erörterung darüber, was Pflege ist. Dieser Abschnitt ist etwas enttäuschend. Wenn es in dem Buch darum geht, für Deutschland eine Einführung in die Pflegewissenschaft vorzulegen, wäre dies doch der geeignete Ort gewesen, der weit verbreiteten Sichtweise entgegenzutreten, dass es "die Pflege" gibt. Den Studenten der Pflegewissenschaft wäre doch zu vermitteln, dass das, was unter Pflege verstanden wird, von sehr vielen Faktoren abhängt und sich in keinem Land der Welt losgelöst von den Anforderungen an die Pflege und dem jeweiligen Gesundheitsversorgungssystem entwickelt hat, was zwingend Auswirkungen auf die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Gegenstand haben muss, soll diese Wissenschaft nicht jede Bodenhaftung verlieren - es ist dies doch vermutlich einer der Gründe, weshalb viele Konzepte, die in anderen Ländern entwickelt wurden, in Deutschland nicht ohne weiteres umsetzbar sind. Im letzten Abschnitt des ersten Teils werden wissenschaftstheoretische Strömungen referiert und auf ihre Bedeutung für die Pflegewissenschaft beleuchtet.

Thema des zweiten Teils sind Theorien und Theorieentwicklung in der Pflegewissenschaft. Im ersten Abschnitt entfaltet, was unter Theorien, Modellen und dem Metaparadigma verstanden wird. Im zweiten Abschnitt werden sozialwissenschaftliche Theorieansätze auf ihre Bedeutung für die Pflege abgeklopft. Im dritten Abschnitt werden einige pflegetheoretische Ansätze kritisch diskutiert.

In den Text sind immer wieder Arbeitsaufgaben und Lesetipps eingefügt, was an den Studienbrief erinnert. Hilfreich ist ein Glossar am Ende des Buches, ebenso ein Stichwortverzeichnis. Nicht wirklich gut ist das Fehlen eines Literaturverzeichnisses am Ende des Buches. Die Verfasser der einzelnen Kapitel haben jeweils Literaturverzeichnisse erstellt, die am Ende der Kapitel zu finden sind; positiv hervorzuheben sind die annotierten Hinweise auf weiterführende Literatur. In keiner Weise dem Stand angemessen ist die Sammlung von Links auf weiterführende Literatur.

Trotz der Kritikpunkte sei dieser erste Band des Lehr- und Arbeitsbuches Pflegewissenschaft empfohlen. Man darf gespannt sein, was der oder die weiteren Bände bringen.